Die G20-Staaten haben auch auf dem Gipfel in Cannes an ihrem Beschluss aus Seoul festgehalten, wonach alle Mitglieder bis Ende 2012 gesetzliche Vorschriften zum Whistleblowerschutz einführen sollten. In den Beschlüssen aus Cannes taucht der Whistleblowerschutz gleich mehrfach im «First Monitoring Report of the G20 Anti-Corruption Working Group to G20 Leaders» auf.
In diesem Bericht wird festgestellt, dass 13 G20-Staaten über Regelungen zum Whistleblowing im privaten Sektor und 14, darunter Deutschland, über Regelungen im öffentlichen Sektor verfügen. Für Deutschland dürfte damit auf § 37 Absatz 2 Nr. 3 Beamtenstatusgesetz und § 67 BBG Bezug genommen worden sein, die allerdings einen äußerst geringen Anwendungsbereich haben. Hervorgehoben werden im G20 Bericht außerdem neue positive Entwicklungen beim Whistleblowerschutz in Korea, den USA und Japan.
Sodann verweist der G20 Bericht auf die Arbeiten der OECD, die beauftragt wurde eine Studie zu gesetzlichen Whistleblowerschutzregelungen und Umsetzungsmechanismen, ein „Best-Practice“-Kompendium und Vorschläge für Leitlinien für Whistleblowing-Gesetzgebung zu erstellen. Die G20 begrüßt die jetzt von der OECD hierzu vorgelegten Papiere als eine Referenz für die Schaffung und – soweit notwendig – Überprüfung von Reglungen zum Whistleblowerschutz bis Ende 2012.
Das 36-seitige OECD Kompendium seinerseits stellt zunächst anhand verschiedener Kriterien die Rechtslage in den G20-Staaten dar. Dabei wird im Hinblick auf Deutschland sowohl das Heinisch-Urteil des EGMR als auch der Aufsatz unseres Vorsitzenden Guido Strack über Whistleblowing in Deutschland erwähnt. In Fußnote 108 heißt es sogar explizit: „Whistleblower Netzwerk e.V. is a German organization founded to support whistleblowers and educate on subjects related to their protection. See www.whistleblowernetzwerk.de.“ Leider ist unsere Position über die Bedeutung der Grundrechte im zivilrechtlichen Whistleblowerschutz dabei etwas missverständlich dargestellt. An anderer Stelle heißt es über Deutschland dann jedoch zutreffend:
„For example, in Germany, the Federal Labour Court has upheld in certain occasions that public servants wishing to disclose wrongdoings have to first seek in-house clarification and determine the appropriateness of their disclosure or they could face a legal dismissal if they fail to correctly outweigh the public interest versus their loyalty obligation. Usually, courts undertake their own appreciation of situations, which in practice constitutes a disincentive to become a whistleblower.“
Im Anhang des OECD Papiers finden sich sechs Leitlinien für Whistleblowing-Gesetzgebung, wobei allerdings schon eingangs betont wird, dass diese nicht als Benchmark bzw. Maßstab für die Bewertung bestehender Gesetzgebung dienen sollen, sondern offen gefasst sind, um den G20-Staaten Flexibilität bei der Einbeziehung in die unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen zu ermöglichen. Im einzelnen lauten die Leitlinien:
1. Clear legislation and an effective institutional framework are in place to protect from discriminatory or disciplinary action employees who disclose in good faith and on reasonable grounds certain suspected acts of wrongdoing or corruption to competent authorities.
2. The legislation provides a clear definition of the scope of protected disclosures and of the persons afforded protection under the law.
3. The legislation ensures that the protection afforded to whistleblowers is robust and comprehensive.
4. The legislation clearly defines the procedures and prescribed channels for facilitating the reporting of suspected acts of corruption, and encourages the use of protective and easily accessible whistleblowing channels.
5. The legislation ensures that effective protection mechanisms are in place, including by entrusting a specific body that is accountable and empowered with the responsibility of receiving and investigating complaints of retaliation and/or improper investigation, and by providing for a full range of remedies.
6. Implementation of whistleblower protection legislation is supported by awareness-raising, communication, training and periodic evaluation of the effectiveness of the framework of protection.
Damit sind von der OECD bereits einige – aber keineswegs alle – der Vorschläge aufgenommen worden, die Whistleblower-Netzwerk gemeinsam mit Transparency International und anderen Whistleblowing-NGOs erarbeitet hat. Unsere Arbeit trägt also auch auf internationaler Ebene erste Früchte. Andererseits ist es aber noch ein weiter Weg von diesen Leitlinien zu einem in der Praxis funktionierenden effektiven gesetzlichen Whistleblowerschutz auf internationaler wie auf nationaler Ebene.
Auf nationaler Ebene ist der Ball damit wieder bei der Politik und insbesondere der Bundesregierung, die im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage noch im Herbst erklärt hatte, zunächst die Leitlinien der G20 abwarten zu wollen. Wenn bis Ende 2012 ein effektiver gesetzlicher Whistleblowerschutz in Deutschland implementiert werden soll, ist jetzt die Zeit für konkrete Gesetzesentwürfe, nicht nur von den Oppositionsfraktionen, gekommen. Unser Entwurf liegt bereits seit dem Frühjahr auf dem Tisch.