Und noch eine juristische Promotion zum Thema Ethikrichtlinien. Leider erfährt man auch bei Ulrike Zander nicht viel Neues. Allzu sehr beschränkt sich die Autorin darauf die herrschende Meinung nur zu referieren, statt diese, wo nötig auch zu hinterfragen. Dies gilt leider auch hinsichtlich der in der Arbeit an verschiedenen Stellen immer wieder aufgegriffenen Fragen im Zusammenhang mit Whistleblowing.
Zuzustimmen ist der Autorin dabei in dem Ergebnis, dass solche Bestimmungen – und dies dürfte in der Praxis die überwiegende Mehrheit sein – die umfassende Anzeigepflichten aller Mitarbeiter hinsichtlich aller Arten von Verstößen gegen Rechtsnormen und Verhaltensrichtlinien im Betrieb vorsehen, sich nicht aus der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers begründen lassen: „Eine Anzeigepflicht bei Fehlverhalten der Kollegen besteht daher dann nicht, wenn kein Schaden für den Arbeitgeber eingetreten ist oder drohte und auch keine Wiederholungsgefahr vorliegt. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich auch nicht verpflichtet sich selbst anzuzeigen.“ Offen lässt Zander aber, ob ersteres nur für einseitig vom Arbeitgeber vorgegebene Verhaltensrichtlinien oder auch für entsprechende Regelungen in Betriebsvereinbarungen gilt. Anders als zuletzt Fahring und Schulz geht Zander davon aus, dass Betriebsvereinbarungen einen weiteren potentiellen Regelungsbereich haben und sich nicht in der Konkretisierung bestehender Pflichten erschöpfen müssen sondern über § 77 IV1 BetrVG auch neue Pflichten der Arbeitnehmer begründen können. Sie begrenzt diese Möglichkeit dann aber wieder durch einen recht pauschalen Verweis auf die Grund- und Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer, so dass letztlich unklar bleibt, wo genau z.B. im Falle der Begründung von umfassenden Anzeigepflichten durch Betriebsvereinbarung die Grenze verlaufen würde.
Ausführlich beschäftigt sich die Autorin auch mit der Frage des Rechts der Arbeitnehmer zum externen Whistleblowing. Auch hierbei bleibt sie weitgehend auf der Linie des BAG und übernimmt recht unkritisch dessen Vorstellungen hinsichtlich des grundsätzlich fehlenden Grundrechtsschutzes bei anonymem Whistleblowing ebenso wie die Idee dass es selbst bei völlig zutreffender Sachverhaltsschilderung durch den Whistleblower dessen Kündigung berechtigt sein könnte wenn er aus unlauteren eigennützigen Motiven aktiv wurde. Merkwürdig wirkt auch, dass die Arbeit laut Vorwort vom April 2010 Literatur und Rechtsprechung bis zum Juni 2009 berücksichtigt, dass dann aber dennoch so getan wird, als sei der Vorschlag dreier Bundesministerien zur Einfügung eines neuen § 612a BGB noch aktuell. Das Handelsblatt und wir hatten über das Scheitern dieses Vorschlages schon im Februar 2009 berichtet.
Positiv anzurechnen ist der Autorin, dass sie im Gegensatz zu anderen immerhin die Relevanz des Artikels 17 GG hinsichtlich der Frage eines Rechts zum behördlichen Whistleblowing thematisiert. Dies allerdings nur um dann wieder auf die BAG Linie einzuschwenken und ihn in Abwägung mit den angeblich nach Artikel 12 GG schützenswürdigen Interessen der Arbeitgeber zurücktreten zu lassen und den grundsätzlichen Vorrang zumutbaren internen Whistleblowings zu postulieren. Dies natürlich ohne hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Arbeitgeberinteressen zwischen einer bloßen Information von Behörden und der Information der Öffentlichkeit zu unterscheiden. Aber auch damit ist Frau Zander ja leider nicht alleine.
Zander, Ulrike: Ethik- und Verhaltensrichtlinien im Betrieb; ISBN: 978-3-8325-2423-4; 2010