Straßen und Plätze werden nach verdienten Persönlichkeiten benannt. Edward Snowden gehört zweifellos dazu. Der Unternehmer Marktwart Faussner hat deswegen 2015 den deutschlandweit ersten und wohl auch einzigen öffentlich zugänglichen Edward-Snowden-Platz auf einem seiner Objekte in Dresden errichtet. Anlässlich des 40. Geburtstags von Edward Snowden findet dort am 21. Juni 2023 eine Feier satt. Annegret Falter und Kosmas Zittel haben für diesen Anlass untenstehendes Grußwort verfasst.
Edward Snowden feiert heute seinen 40. Geburtstag. Es ist der zweite runde Geburtstag in Folge, den er auf der Flucht verbringen muss. Mit seinen Enthüllungen hat er vor zehn Jahren die Sicht auf die Geheimdienste verändert. Die von ihm weitergegebenen Geheimdienstdokumente belegten, was viele bis dahin allenfalls erahnten oder befürchteten: Die massenhafte und systematische Ausspionierung des weltweiten Datenverkehrs durch die USA. Dabei schreckten US-Geheimdienste nicht einmal vor der Kommunikation der Regierungschefs verbündeter Staaten zurück, so von Angela Merkel. Bereitwillig unterstützt wurden sie von anderen Nachrichtendiensten wie dem britischen GCHQ und dem deutschen BND. Vieles davon war nach deutschem Recht illegal, wie später u.a. der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags feststellte.
Freiheitsrechtler kritisieren, dass sich seit Snowdens Aufdeckungen wenig zum Guten verändert hat. Einige der von ihm diskutierten Überwachungsmethoden wurden später legalisiert, u.a. im Zuge der Reform des BND-Gesetzes. Was sich aber geändert hat: Die Zivilgesellschaft weiß davon und kann öffentlich darüber diskutieren, welche Einschränkungen der persönlichen Freiheit sie bereit ist, für eine (vermeintliche) Erhöhung der Sicherheit hinzunehmen. Gegen zu weitgehende oder unspezifische Einschränkungen der Freiheitsrechte kann sie versuchen sich zur Wehr zu setzen. Über eine erfolgreiche Klage beim Bundesverfassungsgericht haben zivilgesellschaftliche Organisationen den Gesetzgeber zu Nachbesserungen am BND-Gesetz gezwungen. Möglich gemacht wurde dies durch Edward Snowden und seiner Unterstützer.
So ist eingetreten, was der vor wenigen Tagen verstorbene große Daniel Ellsberg kurz nach Snowdens Enthüllungen in der Washington Post schrieb:
„I hope Snowden’s revelations will spark a movement to rescue our democracy (...) Snowden believes that he has done nothing wrong. I agree wholeheartedly. More than 40 years after my unauthorized disclosure of the Pentagon Papers, such leaks remain the lifeblood of a free press and our republic. One lesson of the Pentagon Papers and Snowden’s leaks is simple: secrecy corrupts, just as power corrupts.
Für seine Zivilcourage ist Edward Snowden vielfach ausgezeichnet worden. Führende westliche Politiker bedachten ihn mit wohlfeilen lobenden Worten. Bereit ihm aktiv zu helfen waren jedoch nur wenige politische Entscheidungsträger. Sein Antrag auf Asyl wurde in Deutschland und 14 weiteren Ländern abgelehnt. Nur Russland und Ecuador waren bereit ihn aufzunehmen. Bis heute hängt sein Wohlergehen maßgeblich von der Gutwilligkeit Wladimir Putins ab. Absurderweise wird ihm das zum Vorwurf gemacht.
Dabei hat er zu Recht Angst vor harten Repressalien der USA. Der Fall von Julian Assange zeigt deutlich, wie unerbittlich die USA gegen Whistleblower und ihre Unterstützer vorgehen und wie wenig andere westliche Demokratien bereit sind, sich dem entgegenzustellen. Seit 2019 sitzt Julian Assange unter rechtsstaatlich unakzeptablen Bedingungen in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis und kämpft gegen die Auslieferung an die USA. Dort drohen ihm 175 Jahre Haft.
Ändern wird sich an der Verfolgung von Whistleblowern aus den Geheimdiensten auch künftig wenig. In Deutschland verbessert das neue Hinweisgeberschutzgesetz die Rechtlage für Whistleblower in der Wirtschaft, nimmt den staatlichen Geheimschutzbereich und die Nachrichtendienste jedoch weitgehend pauschal von seinem Anwendungsbereich aus. Offenlegungen gegenüber den Medien erlaubt es nur in wenigen Ausnahmefällen.
Da, wo es dem Geheimhaltungsanspruch der Politik zu nahe tritt, bleibt Whistleblowing nach wie vor verboten. Ein deutscher Edward Snowden wäre auch auf der Flucht.
Das Bild des Beitrags entstammt einer gemeinsamen Kampagne von Campact, Digitalcourage und Whistleblower-Netzwerk aus dem Jahr 2014.