Eine anonymes Whistleblowing-System kann Arbeitnehmer*innen einen geschützten Kanal bieten, um Missstände zu melden. Deshalb nehmen bereits viele große Unternehmen anonyme Meldungen an, ebenso wie staatliche Stellen wie die BaFin, das Bundeskartellamt oder einige Landeskriminalämter. In der EU-Whistleblowing-Richtlinie gibt es keine klare Vorgabe zur Anonymität: Sie stellt es den Mitgliedsstaaten frei, ob sie bei der anstehenden nationalen Umsetzung Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie die zuständigen externen Behörden verpflichten, anonyme Meldungen entgegenzunehmen und diesen nachzugehen (Art. 6 Abs. 2).1
Vor diesem Hintergrund wurden die Vor- und Nachteile von anonymer Hinweisabgabe in einer digitalen Veranstaltung am 11.11.2020 mit Vertreter*innen der Computerzeitschrift c´t, dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg und der Robert Bosch GmbH diskutiert. Die über 130 Anmeldungen aus Journalismus, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft haben uns gezeigt, dass aktuell ein großes Interesse an dem Thema besteht.
Zunächst führte Louisa Schloussen (Transparency International Deutschland e.V.) die Teilnehmenden in das Thema ein. Neben der Darstellung der juristischen Situation wurde beispielsweise über den Unterschied zwischen Vertraulichkeit und Anonymität aufgeklärt: Vertraulich ist eine Hinweisabgabe dann, wenn die Meldestelle die Identität des Whistleblowers kennt, diese aber nicht weitergibt. Bei einer anonymen Hinweisabgabe bleibt die Identität des Hinweisgebers jedoch gänzlich verdeckt.
Jürgen Rink (Chefredakteur der Computerzeitschrift c´t) beleuchtete insbesondere die technischen Aspekte bei der Umsetzung eines wirklich sicheren und anonymen Hinweisgebersystems. Dabei darf der Arbeitsaufwand der Wartung eines solchen geschützten Meldekanals nicht unterschätzt werden.
In der Diskussion waren die Referent*innen sich einig, dass Anonymität nicht die Qualität der Hinweise verringert oder gar zum Denunziantentum führt. Im Gegenteil, die Möglichkeit der anonymen Kommunikation wurde in allen vertretenen Branchen als Bereicherung des bestehenden Hinweisgebersystems wahrgenommen.
Deutlich wurde auch, wie wichtig die zielgruppengerechte Information über bestehende Hinweisgeberkanäle und deren Nutzung ist. Bei international agierenden Unternehmen muss das Whistleblowing-System beispielsweise an die jeweiligen kulturellen und juristischen Gegebenheiten des Landes angepasst werden.
Insgesamt waren die Erfahrungen mit anonymen Hinweisgeberkanälen durchweg positiv. Alle Referent*innen berichteten von Fällen, in denen über das anonyme System gemeldete Hinweise zur Aufklärung von Missständen beigetragen haben. Das Einrichten und Pflegen eines anonymisierenden Hinweisgebersystems hat sich für alle drei gelohnt: Zur Vermeidung von wirtschaftlichen Schäden, Aufklärung von Kriminalität oder Informierung von Öffentlichkeit.
1 Was die Richtlinie regelt, ist, dass Personen, die Informationen über Verstöße anonym gemeldet oder offengelegt haben, anschließend jedoch identifiziert wurden und Repressalien erleiden, dennoch Anspruch auf Schutz besitzen, WBRL Art. 6 Abs. 3.
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