Leserbrief zu „EU will Hinweisgeber besser schützen“

Sehr geehrte Redaktion der Süddeutschen Zeitung,

in der aktuellen Wochenendausgabe Ihrer Zeitung vom 5./6. September 2020 schreiben Sie zur Hinweisgeber-Richtlinie der Europäischen Union auf Seite 59:

„Für Hinweisgeber gilt ein dreistufiger Weg. Rempp: ‚Zuerst kann er seine Beobachtungen über das interne Meldesystem anzeigen. Bleibt das erfolglos, darf der Hinweisgeber den Verstoß vor einer vom Gesetzgeber benannten Behörde extern melden. Ergreift auch diese innerhalb von drei, ausnahmsweise sechs Monaten keine Folgemaßnahmen, darf er die Informationen öffentlich machen.‘ Wie das Verhältnis von interner und externer Meldung konkret aussehen wird, ist allerdings noch nicht klar.“

Diese Darstellung des Richtlinieninhalts ist juristisch nicht zutreffend. Der Uniongesetzgeber hat sich nach eingehenden Beratungen bewusst gegen das von Ihnen dargestellte „Drei-Stufen-Modell“ entschieden und dies auch eindeutig in der Hinweisgeber-Richtlinie festgeschrieben. Hinweisgebern ist es daher ohne jegliche Einschränkungen gestattet, sich unmittelbar an eine hierfür zuständige Behörde zu wenden, wenn sie Rechtsverstöße aufdecken möchten.

Wesentlicher Hintergrund dieser Entscheidung war die Tatsache, dass Hinweisgeber in Ländern wie Deutschland bislang oft erheblichen Repressalien ausgesetzt waren, wenn sie einen Rechtsverstoß intern klären wollten. Zugleich wurde ihnen nicht selten jeglicher Schutz des Rechts versagt, wenn sie sich direkt an eine zuständige Behörde gewendet haben, um rechtswidrige Zustände aufzudecken. Erhebliche Benachteiligungen bis hin zur fristlosen Kündigung waren die Folge. Dies in Zukunft zu verhindern ist eines der zentralen Anliegen der Hinweisgeber-Richtlinie und ein entscheidendes Element ihres Schutzkonzeptes – ein Umstand, der auch von den in Deutschland für die Umsetzung verantwortlichen Stellen nicht in Zweifel gezogen wird.

Für Einzelheiten möchte ich auf das von Frau Prof. Dr. Ninon Colneric und mir verfasste Rechtsgutachten im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes verweisen (HSI-Schriftenreihe Band 34, Seite 84 ff.).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Simon Gerdemann, LL.M. (Berkeley)

Kontakt:

Dr. Simon Gerdemann, LL.M. (Berkeley)
c/o Whistleblower-Netzwerk e.V.
Alte Jakobstraße 79/80
10179 Berlin
+49 15774093533

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