Es dürfte sich als einer der großen Medizin-Skandale erweisen: Jahrelang hatte der Inhaber der berühmten „Alten Apotheke“ in Bottrop auf ärztliches Rezepte hin in (angeblich) individuell zusammengestellten Krebstherapielösungen reine Kochsalzlösungen an die schwerkranken Krebspatienten verkauft. Und gegenüber den Krankenkassen entsprechend abgerechnet.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Wegen Betruges. Konkret: Abrechnungsbetrugs. Wegen der Irreführung oder Betrugs an den Patienten laufen derzeit keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Auch nicht wegen „Körperverletzung“. Dabei geht es um rund 40.000 Krebstherapien. Betroffen: tausende von Patienten.
Begonnen hatten die Ermittlungen 2014. Der Ehemann seiner dort gekündigten Ehefrau hatte die Staatsanwaltschaft informiert. Die Anwälte des beschuldigten Ehrenmannes und Besitzer der „Alten Apotheke“ konnten die Staatsanwälte davon überzeugen, dass der Anzeigensteller alles nur „aus zweiter Hand“ habe und daran nichts sei. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen wieder ein.
Jetzt ist ein anderer der Angestellten des „Krebsapothekers“ zur Staatsanwaltschaft gegangen – er konnte dem Treiben nicht länger zusehen. Und jetzt (erst) wurden die Staatsanwälte aktiv. Sie fingen eine der Krebsinfusionen ab, ließen diese untersuchen und der Verdacht bestätigte sich. Der Krebsapotheker sitzt seit Anfang des Jahres in U-Haft.
Nicht ohne vorher den Whistleblower fritslos zu kündigen. Der wehrt sich nun vor dem Arbeitsgericht mit einer Kündigungsschutzklage. Und hat offenbar Glück. Die Arbeitsrichterin Birte KENSY ließ in der Verhandlung unmissverständlich durchklingen, dass hier das Gemeinwohl absoluten Vorrang vor der Loyalität des Arbeitnehmers gegenüber seinem Brötchengeber habe. Bzw. dass es geradezu die Pflicht des gekündigten Whistleblowers war, eine Anzeige gegen seinen Arbeitgeber zu stellen.
Das Urteil wurde am 14. Juni verkündet: Der Whistleblower verlor seine Klage, der inhaftierte Apotheker bekam Recht mit seiner Kündigung. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Mündlich erklärte die Richterin, der Whistleblower sei deswegen gekündigt, weil er unrechtmäßig Arzneimittel für sich über die Apotheke kostengünstig bestellt habe. Dass dies eine interne Absprache gewesen sei, mochte die Richterin nicht glauben – trotz angebotenen Zeugenbeweises.
Der ganze Vorgang über die Alte Apotheke ist zu lesen bei CORRECT!V: Ein Beutel ohne Wirkstoff.
Johannes Ludwig, anstageslicht.de