An der Bundestagsdebatte (Video ab 2:41:00; Plenarprotokoll ab S. 6018) zu dem von den Grünen eingebrachten Gesetzentwurf Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz – BT Drs. 18/3039) sowie dem Antrag der LINKEN-Fraktion “Gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anerkennen – Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schützen” (BT-Drs. 18/3034) erstaunte weniger die Ergebnislosigkeit als die Chuzpe, mit der von den Rednern der Regierungsfraktionen Halbwahrheiten und Lippenbekenntnisse (die wir in unserem Faktencheck analysiert haben) unter das deutsche Volk gebracht wurden. Tenor: Whistleblower sind in Deutschland hinreichend geschützt, es besteht kein Handlungsbedarf (CDU/CSU). Das müssen wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, noch weiter prüfen (SPD). Allerdings bemerkte eine der SPD-Rednerinnen selber, „dass Prüfaufträge eigentlich Stillstand bedeuten“ (W. Wolff).
Stillstand seit 7Jahren, als der erste Gesetzentwurf zum Whistleblowerschutz der Bundesministerien für Justiz, Arbeit und Soziales (SPD) sowie Ernährung Landwirtschaft, und Verbraucherschutz (CDU/CSU) vorgelegt und am Ende der Legislaturperiode von den Arbeitgeberverbänden und den Regierungsfraktionen selber wieder versenkt wurde. Und die Folgen?
Werfen wir nur einen Blick auf den jüngsten Skandal im Segeberger Kreistag. Dort wurde die Rehabilitierung der Hygieneamts-Tierärztin Dr. Margrit Herbst nach wochenlangen, nur teilweise öffentlich geführten Debatten abgelehnt. Abgelehnt mit den Stimmen von CDU, FDP und, hört hört, der SPD. Denn wie tönte es nur einen Tag später im Bundestag?
Der Abgeordnete Gerold Reichenbach (SPD) ist ganz ergriffen, als er den Opfermut und die Schicksalsschläge der Tierärztin schildert, die Anfang 1994 gegen den erbitterten Widerstand ihres Arbeitgebers und der Kreisverwaltung publik gemacht hatte, dass die BSE-Seuche „von den von zuckenden Kühen aus England“ auch auf Deutschlands Rinder übergegriffen hatte. Deswegen war ihr mit Mitte fünfzig fristlos gekündigt worden. Entsprechend klein ist ihre Rente. „Jetzt frage ich Sie: Welchen Schutz hat denn diese Frau genossen, die verhindert hat, dass auch in Deutschland Produzenten und Fleischbetriebe aus Profitgier weiter Fleisch in den Umlauf bringen, das die Gefahr in sich birgt, dass auch deutsche Bürger sich in Massen an dieser grausamen und tödlich endenden Krankheit infizieren? (…) Wir als Sozialdemokraten werden … dafür kämpfen, dass wir … Menschen, die so mutig wie Frau Herbst waren, das Schicksal, anschließend arbeitslos auf der Straße zu stehen, in Zukunft zu ersparen.“
Am Vortag im Kreistag von Bad Segeberg hat die SPD die Gelegenheit zur Wiedergutmachung leider nicht ergriffen. Sie folgte im Gegenteil dem selten bornierten Beschlussvorschlag der CDU.
Und das, obwohl sie selber vor zwei Jahren aus der Opposition heraus auf Bundesebene einen brauchbaren Gesetzentwurf zum Whistleblowerschutz eingebracht hat. Das alte parlamentarische Spiel also: in der Opposition dafür, in der Regierungsverantwortung nichts dafür tun. Leidtragende bleibt der Mensch Margrit Herbst, die das Gemeinwohl über ihre eigenen Interessen gestellt hatte.
Vielleicht aber kann die SPD in absehbarer Zukunft unter Beweis stellen, dass ihre Bekundungen vor dem Bundestag mehr sind als Fensterreden: Dem Vernehmen nach will die Landtagsfraktion der Piraten von Schleswig-Holstein die Rehabilitierung von Frau Dr. Herbst auf Landesebene weiter betreiben. Dort stellt die SPD den Ministerpräsidenten.