Der Autor Robert G. Vaughn ist ein Jura-Professor aus den USA, der sich seit ca. 40 Jahren mit den Themen Whistleblowing und Whistleblowing-Gesetzgebung beschäftigt. Sein Buch bietet vor allem einen guten Überblick über die seitherige Entwicklung in den USA. Wobei an den Leser allerdings, insbesondere wenn dieser sich mit den USA und deren Gesetzgebungsprozess nicht im Detail auskennt, stellenweise doch schon recht hohe Verständnis-Anforderungen gestellt werden.
Aber das Buch bietet noch weit mehr: So weist es z.B. in den ersten Kapiteln auf unterschiedliche Strömungen und Aspekte hin, die zum Aufkommen einer Diskussion um gesetzlichen Whistleblowerschutz in den 60iger und 70iger Jahren geführt haben. Verwiesen wird hier auf die psychologischen Experimente von Milgram und Zimbardo zu den Auswirkungen von Gehorsam und Autorität, auf die Bürgerrechtsbewegung und zivilen Ungehorsam, auf die immer häufigeren, nach ähnlichen Mustern gestrickten Fall-Geschichten von Whistleblower-Diskriminierung und auf den Katalysator-Effekt des Watergate Skandals und der Pentagon Papiere. Vaughn beschreibt viele US-Whistleblower-Fälle und wie diese und deren Muster den Gesetzgebungsprozess immer wieder beeinflussten.
Vaughn geht auch auf die Unterschiede zwischen den Regelungen zum Whistleblowing im öffentlichen und im privaten Sektor ein und erläutert deren Ursachen. Ein eigenes Kapitel widmet er Whistleblowing im Bereich der nationalen Sicherheit. Dabei wird deutlich, dass es schon viele Vorgänger von Edward Snowden gab, die über durchaus ähnliche Missstände berichteten, dass aber erst unter Obama das Strafrecht als Mittel im Kampf gegen Whistleblower zu seiner vollen Entfaltung gelangte.
Der Autor beleuchtet auch die internationale Perspektive, insbesondere das britische PIDA, und zeigt, dass Gerichte auch in den USA häufig die Tendenz hatten und haben Gesetze zum Whistleblowerschutz eher restriktiv auszulegen, was den Kongress vielfach zu Nachbesserungen veranlasste, um dem von ihm intendierten Schutzstandard auch zum Durchbruch zu verhelfen. Er zeigt, wie es vor allem das Verdienst der Zivilgesellschaft, allen voran von Whistleblower-Unterstützer-Organisationen wie GAP war und ist, Betroffene zu unterstützen und genau jene Nachbesserungen vom Kongress immer wieder einzufordern und Standards weiterzuentwickeln.
Ein Highlight des Buches ist schließlich der analytische Blick auf die verschiedenen Herleitungsgründe für Whistleblowerschutz. Vaughn unterscheidet dabei zwischen einem arbeitsrechtlichen, einem menschenrechtlichen, einen Ansatz unter dem Aspekt der Transparenz und Offenheit von Regierungshandeln und einem markt-regulatorischen Ansatzpunkt. Von denen er jeweils zwei den Kategorien Individualrecht, Öffentliches Recht, Institutionelles Recht und Privatrecht zuordnet. Überzeugend legt er dabei die Stärken und auch die Schwächen sowie die (In-)Kompatibilitäten der jeweiligen Herleitungsgründe dar.
Im Abschlusskapitel schließlich wird mit dieser analytischen Vorbereitung ein neuer Blick auf die immer wieder auftauchenden großen Kernfragen geworfen, deren sich gesetzliche Regelungen zum Whistleblowing und Whistleblowerschutz stellen müssen, nach dem Motto: „Wie hältst Du es mit Anonymität & Vertraulichkeit, Nationaler Sicherheit, Ethik & Moral als Rechtfertigung und dem Verhältnis von internen zu externem Whistleblowing?“
Letztgültige Antworten gibt Vaughn dabei nicht, sein Buch enthält aber sehr viel Wissenswertes und viele aus der historischen Analyse abgeleitete Anregungen, die auch die Diskussion um gesetzlichen Whistleblowerschutz in Deutschland und dessen Ausgestaltung befruchten könnten und sollten.
Vaughn, Robert G.; The Successes and Failures of Whistleblower Laws, 2012, ISBN: 9781849808378.