Im Auftrag der Hans Böckler Stiftung hat Whistleblower-Netzwerk e.V. eine Kurzauswertung von 32 betrieblichen Vereinbarungen und von der Unternehmensführung einseitig erlassenen Unternehmensrichtlinien zum innerbetrieblichen Umgang mit Whistleblowing erstellt. Damit wird erstmals ein genauerer Einblick in die Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen in deutschen Unternehmen möglich. Die Studie und weitere Materialien stehen im Archiv „Betriebsvereinbarungen“ der Böckler Stiftung zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Die Untersuchung zeigt, dass alle Unternehmen letztlich vor ähnlichen Kernfragen stehen: Sie müssen beantworten, wer das System bezüglich welcher Arten von Missständen nutzen kann, soll oder muss. Zugleich gilt es, die potentiellen Whistleblower vor Repressalien zu schützen, den Hinweisen folgend eine Aufklärung möglicher Missstände zu betreiben und dabei die Rechte aller Beteiligten, inklusive des Datenschutzes und der Unschuldsvermutung zugunsten etwaiger Beschuldigter, zu wahren. Dies alles muss in einem Umfeld stattfinden, das häufig geprägt ist von der Angst vor Spitzeln und Denunziantentum.
Die Studie zeigt aber auch, dass die Antworten, die von den Unternehmen gegeben werden, derzeit noch stark variieren. Es gibt rein-interne Systeme und solche mit externen Komponenten wie z. B. Ombudsleuten; Whistleblowing-Systeme mit beschränkten oder vielfältigen Meldemöglichkeiten; mit enger Begrenzung von meldefähigen Sachverhalten und mit umfassenden Meldepflichten. All dies wird anhand vieler Beispielsformulierungen aus internen Richtlinien und Betriebsvereinbarungen dargestellt, um so allen Beteiligten Bausteine für eine, für das eigene Unternehmen sachgerechte, Lösung zur Verfügung zu stellen.
Aus Sicht des Whistleblower-Netzwerk e.V. sollte die vorliegende Veröffentlichung gerade für Betriebsräte und andere Beschäftigtenvertreter einen Anstoß liefern, sich des Themas „Whistleblowing im Unternehmen“ aktiv anzunehmen. Nach Ansicht des Netzwerks ist es im Interesse aller Beteiligten, wenn Mitarbeiter frühzeitig in die Ausgestaltung der Hinweisgebersysteme mit einbezogen werden und diese Systeme, aber auch deren alltägliche Praxis, so transparent wie nur irgend möglich ausgestaltet werden. Außerdem bedarf es auch eines entsprechenden glaubwürdigen Bekenntnisses der Unternehmensleitung. Sind diese Voraussetzungen vorhanden, so kann das Vertrauen bei den Beschäftigten geschaffen werden, dass es sich beim Hinweisgebersystem um einen Mechanismus handelt, um Rechtsbrüche und Missstände frühzeitig zu erkennen und ohne Ansehen der Person aufzuklären und zu beheben. Derartige Whistleblowing-Systeme, zu deren Ausgestaltung Whistleblower-Netzwerk e. V. auf seinen Webseiten weitere Informationen bereit hält, können einen maßgeblichen Beitrag zu einer ethischen Fehler- und Unternehmenskultur leisten, in der es gegenüber dem leider noch weit verbreiteten Schweigen und Wegsehen bessere Alternativen gibt.
Dem Thema „Whistleblowing und Hinweisgebersysteme“ widmet sich im September auch eine Tagung der evangelischen Akademie im Rheinland in Bonn. Dort bietet sich Interessierten die Möglichkeit zum vertiefenden Gespräch mit Experten aus Wissenschaft, Medien, Unternehmen, Gewerkschaften und auch des Whistleblower-Netzwerk e.V.