Am 06. August 2011 berichtete das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über die Bemühungen des „Netzwerkes katholischer Priester“, ein Forschungsprojekt über sexuellen Missbrauch durch Priester und Ordensleute aus datenschutzrechtlichen Gründen zu blockieren.
Stein des Anstosses sei der Umstand, dass den Wissenschaftlern ab Mitte November Zugriff auf sämtliche Personalakten der vergangenen zehn Jahre gewährt werden soll und in 9 der 27 deutschen Bistümer sogar bis zurück in das Jahr 1945.
Dieses Projekt gehöre zu den Bemühungen der deutschen Bischofskonferenz, das Vertrauen der Bevölkerung in die katholische Kirche zurückzugewinnen. Geleitet werden die Projekte von Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) geleitet. Die Pilotphase des Projekts startete letzte Woche und ist laut Pfeiffer die weltweit umfangreichste Studie zum Thema Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche.
Nun erinnerte die Online Ausgabe des „Spiegels“ auch an den Fall des Posener Erzbischofes Juliusz Paetz. Im Februar 2002 hatte die polnische Tageszeitung „Rzeczpospolita“ unter dem Titel „„Sünde im Palast des Erzbischofs“ berichtet, dass sich eine Gruppe von Priesterseminaristen und Priestern darum bemühen hatten, eine innerkirchliche Untersuchung gegen Erzbischof Paetz zu initiieren, da er Seminaristen ab 1999 zu sexuellen Handlungen mit ihm gezwungen habe.
Wie das Bistum Basel berichtete, soll laut „Rzeczpospolita“ die Entscheidung zur Aufdeckung der Missstände nicht deswegen gefällt worden sein, weil man der Kirche habe schaden wollen, sondern gerade aus Respekt für diese Institution. Besser wäre es gewesen, so die Zeitung, wenn die Angelegenheit intern bereinigt worden wäre. Doch dies sei nicht geschehen, weshalb die Veröffentlichung ein trauriger, aber notwendiger Schritt gewesen sei.
In weiterer Folge erhielt der päpstliche Nuntius in Polen einen Bericht mehrerer Geistlicher über Paetz‘ Verfehlungen. Dieser erklärte gegenüber den Unterzeichnern, dass es sich um ein lokales Problem handle und übergab den Brief Erzbischof Paetz.
Als Ergebnis sollen Kirchenstrafen gegen einige der Unterzeichner verhängt worden sein. Gegen Paetz wurde laut Spiegel seitens der Staatsanwaltschaft nicht ermittelt. Whistleblower überall auf der Welt, ereilt oft das gleiche Schicksal, nämlich als Überbringer einer schlechten Nachricht bestraft zu werden; die Verursacher der Missstände werden verschont.
Doch schliesslich trat der Posener Erzbischof zurück. Auf Antrag seines Nachfolgers Stanislaw Gadecki wurde er von der Bischofskongregation gemaßregelt, und es wurden ihm Beschränkungen für sein priesterliches Wirken auferlegt. Im Vorjahr aufgekommene Gerüchte um eine angebliche Rehabilitierung Paetz‘ wurden vom Vatikan dementiert.
Die Vorgänge um Paetz zeigen, dass Whistleblower Schutzgesetze nicht nur für staatliche Behörden und private Unternehmen vonnöten sind. Deren Geltungsbereich sollte im allgemeinen Interesse auch andere Teile der Gesellschaft wie Kirchen, Religionsgesellschaften und NGOs umfassen.
Whistleblowing Austria / Walter Gehr