Die Ökonomin Pittroff, unternimmt mit ihrer Promotion gleich vier Dinge auf einmal:
- Erstens begründet sie auf der Basis der Neunen Institutionenökonomik die Vorteilhaftigkeit der Einführung von Whistleblowing Systemen durch und in Unternehmen.
- Zweitens stellt sie relativ detaillierte Kriterien auf die ein effektives Whistleblower-System auf Unternehmensebene erfüllen sollte.
- Drittens bewertet sie die Whistleblowing-System-Kommunikation der 30 DAX-Unternehmen anhand der auf deren Internetseiten verfügbaren Informationen mit einem selbst erstellten Punktekatalog.
- Viertens stellt sie die Ergebnisse ihrer Unternehmensbefragung zum Thema Whistleblowing-Systeme dar. Ganz schön viel für eine Arbeit! Vielleicht wäre an der ein oder anderen Stelle weniger mehr gewesen.
So bleibt z.B. unklar warum sich die Autorin einer Mindermeinung anschließt, der zu Folge ein Hinweis an einen unmittelbaren Vorgesetzten grundsätzlich kein Whistleblowing darstellt. Überraschend ist dies umso mehr, als sie an anderer Stelle – völlig zu Recht – betont, wie wichtig es ist dem potentiellen Whistleblower eine Angebot verschiedener Adressaten zu geben, um so eventuelle Hemmschwellen überwinden zu können. Demnach und darauf weist z.B. die Empfehlung des British Standard Instituts zu internen Whistleblowing-Systemen hin, kommt es umgekehrt gerade darauf an, jeden Vorgesetzten als potentiellen Adressaten von Whistleblowing auszuweisen und auch zu schulen. Vielleicht liegt dies aber auch daran, dass die Autorin jene Empfehlung gar nicht zur Kenntnis genommen hat. Genauso wenig übrigens wie die in der Edition der Hans Böckler Stiftung erschienene Monographie von Björn Rohde Liebenau zum Thema Whistleblowing, in welcher er sich ebenfalls sehr detailliert mit der Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen und vor allem dem Aspekt der Einbeziehung der Mitarbeiter, z.B. mittels Betriebsvereinbarung, auseinander setzt. Schade, denn so bleibt auch jener Aspekt bei Pittroff unterbelichtet. Völlig zutreffend focussiert sie – wie zuvor schon Donato – aber ansonsten schon auf den Whistleblower und stuft jene Systeme, die dies nicht tun, als bloßes „Window-Dressing“ ein. Auch Pittroff bestätigt: Soll ein Whistleblowing-System seinen Zweck erfüllen, so braucht es Nutzer, also muss es so ausgestaltet sein, dass es für potentielle Whistleblower attraktiv ist.
Die vor jenem Hintergrund naheliegende Überlegung der Schaffung von Anreizmechanismen für erfolgreiches Whistleblowing lehnt Pittroff dabei aber letztlich ab. Es sollten keine Anreize zum Denunziantentum geliefert werden, so lautet der schon oft gehörte Chor, in den auch sie insoweit einstimmt. Von einer Promotion, hätte man auch an dieser Stelle allerdings mehr erwartet. So z.B. die unterbliebene Definition des Begriffs „Denunziant“. Ist dies nur jener der bewusst falsche Tatsachen behauptet, oder kann jemand auch Denunziant sein, wenn er Wahres vorbringt? Wäre ersteres der Fall, so sollte ein vernünftig überprüfendes Whistleblowersystem in der Lage sein die Falschheit des Tatsachenvorbringens zu ermitteln, bzw. jedenfalls nicht zu dem Ergebnis kommen, dass richtige Tatsachen vorgetragen wurden. In beiden Fällen wäre also ohnehin kein Raum für eine – immer am Aufklärung- und Schadenvermeidungsserfolg zu orientierende – Belohnung des Whistleblowers. Und wenn denn auch wahre Behauptungen ungewünschte Denunziation sein können, so sollten jene Bereiche vielleicht besser ganz aus dem Whistleblowing-System herausgenommen oder jedenfalls – z.B. durch ein Betriebsratszustimmungserfordernis – aus dem Belohnungssystem herausgenommen werden. All dies diskutiert Pittroff aber leider nicht.
Ansonsten hat die Arbeit aber durchaus auch ihre positiven Seiten. Inbesondere dort wo ihr Anforderungskatalog wie ein gutes Whistleblowing-System aussehen sollte die früheren Ansätze von Briegel und Donato weiterentwickelt und die besondere Bedeutung der Kommunikation über das System und die mit ihm erzielten Erfolge herausstreicht. In der Tat ist Kommunikation ein wesentliches Element um sowohl im Markt als auch bei den potentiellen Whistleblowern berechtigtes Vertrauen in das System zu erzeugen. Auch Pittroff übersieht allerdings, dass hierzu idealerweise auch eine Freigabe der Möglichkeit zu behördlichem Whistleblowing, zumindest aber der Einsatz für gesetzlichen Whistleblowerschutz gehören sollte. Nur durch die Einräumung jener (Eskalations-)Möglichkeit kann letztlich auch beim Whistleblower die Bereitschaft gefördert werden sich auf ein internes Whistleblowing-System, welches letztlich nie völlig unabhängig von der Unternehmensleitung ausgestaltet sein wird, einzulassen. Vertrauen erwirbt letztlich vor allem jener, der freiwillig die eigene Deckung wenigsten ein Stück weit fallen lässt. Jener Unternehmer verdient am ehesten Vertrauen, der zeigt: Ich habe es nicht nötig Whistleblowing an Behörden auszuschließen und stelle mich dem Wettbewerb um das Vertrauen der Whistleblower weil unser internes, transparentes, System schnellere und bessere Resultate im Sinne der umfassenden, unabhängigen Untersuchung und Abstellung des Missstandes und der Information und des Schutzes (ja vielleicht sogar der Anerkennung) des Whistleblowers gewährleistet.
Interessant sind auch einige der Ergebnisse der Umfrage von Pittroff, wobei die Autorin sich manchmal etwas zu sehr in statistische Anlaysen und Zahlenspiele ergeht, deren Aufführung in einem Anhang auch ausgereicht und die Arbeit für Nichtstatistiker leichter lesbar gemacht hätte. Immerhin zeigt sich, dass gerade jene (vor allem große) Unternehmen die bereits Whistleblowing-Systeme eingeführt haben mit den Wirkungen (z.B. Compliance und Rufsicherung) durchaus zufrieden zu sein scheinen. Schwächer ist demgegenüber die auf recht wenige Kritieren beschränkte Auswertung der Kommunikation der DAX-Unternehmen. Es verwundert kaum, dass das gebrannte Kind, Siemens hier am besten abschneidet. Aber auch dort ist sicherlich, gerade was die Berichterstattung über konkrete Erfolge des Whistleblowingssystems angeht noch nicht alles Gold was glänzt, obwohl Siemens bei Pittroff die optimale Punktzahl erreicht. Selbst dort und vor allem bei den deutlich schwächer abschneidenden Unternehmen besteht immer noch viel zu viel Angst offen zu eigenen Fehlern und z.B. zum Vorkommen von Korruption und Wirtschaftskriminalität im eigenen Unternehmen zu stehen. Wahrscheinlich weil in der Öffentlichkeit die Aufdeckung von Korruption auch heute noch eher rufschädigend als positiv reinigend verstanden wird. Ein Phänomen, welches von der Autorin aber leider nicht diskutiert wird.
Pittroff, Esther: Whistle-Blowing-Systeme in deutschen Unternehmen – Eine Untersuchung zur Wahrnehmung und Implementierung; ISBN: 978-3-8349-29995-2; 2011