Der Grund warum diese juristische Promotion Eingang in dieses Blog findet, wird im Untertitel deutlich: „Whistleblowing und Mitarbeiterbefragung als Mitel zur Verbesserung der Informationsasymetrien in der AG“. Es geht also u.a. darum der Frage nachzugehen, ob Whistleblowingförderung nicht eigentlich auch durch die Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften betrieben werden sollte?
Würden diese dann nicht zukünftig besser und vor allem früher mitbekommen, was im Unternehmen wirklich läuft, ohne allein auf diejenigen Informationen angewiesen zu sein, die ihnen der Vorstand zur Verfügung stellt. Und böte ein solches System nicht auch eine Chance einerseits das – auch von den meisten Whistleblowern selbst präferierten – interne Whistleblowing zu fördern und dabei gleichzeitig eine gesteigerte Unabhängkeit der Nachprüfung des Whistleblowervorbringens von den Managementinteressen des Vorstandes zu gewährleisten?
Wie schon die Zwischenüberschrift „Whistleblowing als Chance für die Unternehmen“ zeigt erkennt die Autorin das Potentialvon Whistleblowing durchaus. Mehr noch, es findet sich auch Aussagen wie: „Nur wenn den Beschwerden nachgegangen wird und die Whistleblower ein Feedback bekommen, nutzt das Unternehmen die Mitarbeiter als ihm zur Verfügung stehende Ressource optimal“ oder „Kann er [der Whistleblower] davon ausgehen, dass seine Enthüllungen nicht nur gehört werden, sondern, dass auch geeignete Gegenmaßnahmen erfolgen, wird er den Missstand aufdecken“, „Geht er davon aus, dass seine Enthüllung keinen Erfolg haben wird, schweigt er“.
Es wäre äußerst wünschenswert, wenn sich diese Erkenntnisse nicht nur bei immer mehr jungen Wissenschaftlern, sondern auch bei den Unternehmensleitungen durchsetzen würden, die derzeit bei Whistleblowerhotlines und Hinweisgebersystemen häufig noch auf bestimmte eng begrenzte Bereiche – wie z.B. Korruptionsbekämpfung – und auf Anonymität und Schutz vor Repressalien focussieren, statt auf Chancen zur Veränderung und klare Kommunikation.
Aber zurück zum Buch und zur spezifischen Rolle des Aufsichtsrates. Hier ist die Autorin leider weniger fortschrittlich und mutig. Entgegen anderer Autoren, wie z.B. Hopt und Roth ist sie der Auffassung: „Da der Aufsichtsrat auf die Überwachung des Vorstandes beschränkt ist … kann er die Mitarbeiter weder auffordern ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, noch unaufgefordert übergebene Informationen der Mitarbeiter entgegennehmen. Scheidet der Vorstand allerdings als Ansprechpartner aus, weil seine Handlungen Gegenstand der Beschwerden sind, muss den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben werden, sich an vom Vorstand unabhängige Stellen zu wenden.“
Erst hier kann nach Korte der Aufsichtsrat ins Spiel kommen. Dies allerdings auch in Bereichen wie z.B. der Rechnungslegung oder bei Missmangement und auch ohne das gleich ein strafbares Handeln nötig wäre. Insgesamt beharrt Korte somit auf der ihrer Meinung nach aus dem für Deutschland typischen und aus dem Aktiengesetz folgenden strengen Trennung zwischen dem Vorstand als Leitungs- und dem Aufsichtsrat als dessen Überwachungsorgan. Sie bejaht nur jene Informationsmöglichkeiten die dieser spezifischen auf den Vorstand fixierten Überwachungsaufgabe dienen.
Auf dieser Basis spricht Korte dann konsequenter Weise dem Aufsichtsrat, dem die Befugnis zu organisatorischen Maßnahme fehle, auch die Befugnis ab, eigene Beschwerde- und Anlaufstellen zu schaffen. Auch aus § 111 Abs. 2 S.1 AktG ergebe sich letztlich nichts anderes.
Möglich und vorzugswürdig ist laut Korte vielmehr eine Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Einrichtung von Hinweisgebersystemen (bei der je nach Ausgestaltung außerdem auch die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich sein kann) und der Abschluss einer gemeinsamen Organisationsordnung. Betont wird dabei auch die Notwendigkeit zu Transparenz und Information der Mitarbeiter, deren Akzeptanz und Schutz, wobei die Autorin davon abrät eine Whistleblowing-Pflicht der Mitarbeiter vorzusehen.
Die Einführung von Hinweisgebersystemen sollte dabei nach Meinung Kortes nicht durch Gesetz verpflichtend geregelt, sondern vielmehr durch Aufnahme in die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex nach dem Prinzip comply-or-explain rechtlich gefördert werden. Was die Rolle des Aufsichtsrates in einem solchen System angeht, so sollte dieser nach Meinung der Autorin durch dessen Ausschüsse und das Plenum handeln, notfalls unterstützt durch einen zuarbeitenden Aufsichtsratsasisstenten. Der Aufsichtsrat sei nach § 109 Abs. 2 S. 2 AktG zur höchstpersönlichen Amtsführung verpflichtet. Daher könnten auch Sachverständige nur zur Beratung über einzelne Gegenstände, nicht aber als ständige Berater oder Ombudsleute speziell des Aufsichtsrates hinzugezogen werden. Daneben regt Korte eine gesetzliche Regelung an, die dem Aufsichtsrat die Pflicht zur Befragung von Mitarbeitern mit bestimmten Leitungsfunktionen z.B. in der internen Revision übertragen sollte.
Auch wenn die strikte Betonung des rechtlichen Trennungsprinzips nach Ansicht des Verfassers von der Autorin nicht in allen Fällen überzeugend begründet wird, so ist ihr doch zuzugestehen, dass sie die Grundprobleme des Whistleblowing weit besser verstanden hat, als viele Unternehmen. Dabei wird jedoch eine gewisse Parodoxie deutlich, wenn sie trotz Trennungsprinzip letztlich eine gemeinsame Einrichtung des Hinweisgebersystems durch Vorstand und Aufsichtsrat befürwortet und dabei die Reflexion darüber unterlässt wie sich diese Gemeinsamkeit auf das Vertrauen des Whistleblowers auswirkt. Dieser hofft ja auf eine korrekte Bearbeitung seines Falles auch dann, wenn er die Beachtung von Recht und Moral in Bereichen einfordert, in denen diese den kurzfristigen Eigeninteressen der Mitglieder des Vorstandes – nicht aber zwangsläufig auch den langfristigen Unternehmensinteressen an denen sich der Aufsichtsrat orientieren sollte – entgegensteht. Ein Hinweisgebersystem sollte daher immer so beschaffen und ausgestaltet sein, dass es auch in jener Konstellation funktioniert.
Korte, Kathrin: Die Information des Aufsichtsrats durch die Mitarbeiter — WHistleblowing und Mitarbeiterbefragung als Mittel zur Verbesserung der Infromationsasymmetrien in der AG; ISBN: 978-3-631-59228-1; 2010.