Antje Bultmann und Guido Strack vom Whistleblower-Netzwerk e.V. geben einen einführenden Überblick zum Thema Whistleblower. Anhand von Beispielen verdeutlichen sie das breite Themenspektrum des Whistleblowings – von Korruption über Umweltverschmutzung bis hin zu Menschenrechtsverletzungen.
Guido Strack führt im Weiteren verschiedene Definitionen von Whistleblowing an und stellt das Vorgehen des Whistleblowers anhand von verschiedenen Phasen dar. Auf die eigene Recherche des Whistleblowers zu seinem Verdacht eines Missstandes im Unternehmen, folgt zunächst das interne Whistleblowing. Erst in letzter Instanz wendet sich der Whistleblower an die Öffentlichkeit. Die besondere Bedrohung besteht dabei durch die Bindung an die Organisation. Denn der Whistleblower fühlt sich zu Beginn seines Verdachts seinem Unternehmen weiterhin verbunden und möchte den Missstand im Unternehmen beheben. Im Laufe des Prozesses distanziert er sich immer weiter von seinem Unternehmen und wählt in letzter Konsequenz den Weg an die Öffentlichkeit. Die Wahrung der Anonymität des Whistleblowers ist in diesem Zusammenhang fast ausgeschlossen. Selbst wenn die Medien ihren Informanten konsequent schützen, ist seine Haltung im Unternehmen bereits bekannt.
Für den Whistleblower selbst bedeutet sein mutiges Handeln oftmals negative berufliche Folgen und eine Lebenskrise. Dennoch bereuen 90% der Whistleblower ihr Handeln nicht, so Antje Bultmann.
Frau Bultmann weist des Weiteren auf den amerikanischen Psychotherapeuten Donald Soeken hin, der ein Zehn-Punkte-Programm für erfolgreiches Whistleblowing entwickelt hat: Demnach hat ein Aussagewilliger unter anderem folgendes zu beachten:
1. Er muss Familienangehörige und Freunde einweihen.
2. Er muss bereit sein, die Nachricht anderen anzuvertrauen.
3. Er muss unbedingt Aufzeichnungen machen, z.B. ein Tagebuch führen.
4. Er muss sich Organisationen suchen, die ihn unterstützen und die evtl. als Zeugen auftreten können.
5. Er muss eine genaue Strategie ausarbeiten.
6. Er muss bei Kontroversen immer Leckstellen angeben können.
7. Er muss sich dessen bewusst sein, dass er von Kollegen beobachtet wird.
8. Wenn er nicht anonym bleiben will, sollte er einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.
9. Er sollte sich in seinen Aussagen stets auf Tatsachen, nie aber ausschließlich auf Personen beziehen.
10. Er sollte keine Angst vor einem Rückzieher haben.
Soeken bereitet Hilfesuchende, d.h. potentielle Whistleblower, darauf vor, dass mit der Offenbarung ihres Geheimnisses große Mühen und Schwierigkeiten verbunden sein können. So ist neben einem erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand auch mit rechtlichen Konsequenzen oder Verleumdungen durch Kollegen und Vorgesetzte zu rechnen. Ein bedeutender Teil von Soekens Beratungspraxis besteht in der Vermittlung der zu der Bewältigung dieser Widrigkeiten notwendigen Fähigkeiten.
Der Nutzen von Whistleblowing, das betont Guido Strack, sei sowohl für die Organisation oder Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt immens. Für das Unternehmen bietet Whistleblowing die Möglichkeit der Risikofrüherkennung. Für die Aufgabe der Öffentlichkeit als demokratisches Regulativ ist es eine Notwendigkeit.
Strack hebt insbesondere hervor, dass Whistleblowing nicht an der Größe des öffentlichen Skandals gemessen werden sollte, sondern der Fokus vor allem auf Handlungen im kleineren Umfang gerichtet werden sollte. Denn viele Fälle könnten schon intern gelöst werden. Diese Hervorhebung kleinerer Whistleblowerfälle, die genauso viel Mut erfordern wie die mit spektakulären Folgen, sei wichtig, um potentielle Whistleblower zu ermutigen und Missstände zu beheben.