Diesmal hat es die Mitarbeiterin einer Cateringfirma erwischt. Ihr wurde von ihrem Arbeitgeber fristlos gekündigt, weil sie ein Video aus der Kantine des Fleischfabrikanten Tönnies ins Internet gestellt hat. Das Video zeigt, dass die Mitarbeiter*innen dort in Arbeitskleidung und ohne Mindestabstand an langen Tischen ihre Mahlzeit einnehmen müssen. Die Frau, der fristlos gekündigt wurde, ist eine Whistleblowerin. Sie hat einen in Coronazeiten unverantwortbaren unhygienischen Zustand öffentlich gemacht. Nach deutschem Arbeitsrecht durfte sie das womöglich nicht tun. Warum nicht?
Der genaue Kündigungsgrund ist bisher nicht in Erfahrung zu bringen. Es kann sich eigentlich nur um den Vorwurf der Verletzung ihrer „Treuepflicht“ ihrem eigenen Arbeitgeber gegenüber handeln. Der Caterer beliefert die Tönnies-Kantine. Er muss Grund zu der Annahme gehabt haben, dass seine Geschäftsbeziehung zu Tönnies durch das Verhalten seiner Arbeitnehmerin Schaden nehmen könnte. Arbeitsrechtlich wäre sogar zulässig, wenn die Kündigung erfolgt wäre, weil Tönnies sie verlangt hatte. In dem Fall würde es sich um eine sogenannte „Drohkündigung“ handeln. So etwas sieht das deutsche Arbeitsrecht tatsächlich vor.
Die Whistleblowerin hat einen gefährlichen Missstand öffentlich gemacht. Bereits seit dem 22. März war ein Mindestabstand von 1,5 m durch eine Kantinenverordnung vorgegeben, gegen die anscheinend verstoßen wurde. Unter dem Eindruck der Totentransporte von Bergamo, des Anstiegs der Covid-19-Infektionsraten und des Lockdowns in ganz Deutschland mit all seinen nachteiligen Folgen hat sie den Schaden zu verhindern versucht, der nun für den ganzen Kreis Gütersloh eingetreten ist. Sie konnte davon ausgehen im öffentlichen Interesse zu handeln. Die Kündigung stellt einen unerträglichen Machtmissbrauch durch den Arbeitgeber dar. Sie darf keinen Bestand haben.