Es brennt in der Justiz,

nur nimmt es die Öffentlichkeit nicht wahr, weil die Feuermelder (Präsidenten und Behördenleiter) von den »Brandstiftern« eingesetzt sind.

So lautet ein markanter Satz aus dem, auf gewaltenteilung.de verfügbaren, Referat von Staatsanwalt Klaus Pförtner mit dem Titel „Die deutsche Staatsanwaltschaft: Marionette der Politik? Unabhängigkeit muss sein!“ anlässlich der Tagung „Zur richterlichen Unabhängigkeit in Europa“. Alle Referate dieser, auch insgesamt sehr interessanten, Tagung sind mittlerweile im Heft 4/2008 der Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft erschienen.

Insider und Whistleblower Pförtner räumt ganz ordentlich auf mit dem Bild des Durchschnittsdeutschen von der Staatsanwaltschaft:

Die deutsche Staatsanwaltschaft wird gesehen als „Hüter des Gesetzes“. Wen das wirklich interessiert, der soll die kluge und unterhaltsame Dissertation von Peter Collin („Wächter der Gesetze“ oder „Organ der Staatsregierung“, 2002) über dieses Thema lesen. Die Staatsanwaltschaft ist in Deutschland nicht eingeführt worden als „Hüter des Gesetzes“. Das wird immer nur so behauptet. Die Staatsanwaltschaft ist als Organ zur Durchsetzung des Machtwillens des Staates eingeführt worden, gegen aufmüpfige unabhängige Richter, um der Exekutive mehr Einfluss auf die Durchführung der Verfahren zu geben, die Rechtsmittel im Verfahren zu beherrschen u.ä.m. Also, die Staatsanwaltschaft ist in ihrer Grundkonzeption nicht Hüter des Rechts, sondern Organ zur Durchsetzung des Machtwillens des Staates. Deshalb will die Politik keine unabhängige Staatanwaltschaft! Das muss schon deshalb deutlich gesagt werden, um den Glorienschein der deutschen Staatsanwaltschaft zu löschen. ….
Es geht also so: Der vom Rechtsverteidigungsminister ernannte Generalstaatsanwalt kommandiert die Juristen an die und an der Front und inzwischen sieht es so aus, als wären dort Schützengräben, weil so hoch Akten um uns liegen, dass wir uns wirklich an der Frontlinie dahinter verbergen können. Und wenn man einmal die Zeit und den Mut hat, über die Aktenberge zu schauen, sieht man auf der anderen Seite den einen oder anderen Lobbyisten oder den einen oder anderen der „Herren Exekutive und Legislative“. Da zieht man den Kopf aber schnell wieder ein, um nicht auch noch Feuer von der Etappe zu bekommen, also ins Kreuzfeuer (oder friendly fire) zu geraten. …. Es gibt doch genügend Skandale in Deutschland, wo entweder Justizminister ihre parteipolitischen Freunde über Ermittlungsverfahren gegen diese informieren oder wo ganz energisch in Ermittlungsverfahren bei Staatsanwaltschaften eingegriffen wird. Ich nenne nur den Fall des Exstaatssekretärs Pfahls in Bayern.

Für andere Whistleblower folgt daraus, dass sie sich keineswegs immer sicher sein sollten, dass die Staatsanwaltschaft auch dann noch unabhängig und mit dem Ziel einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung ermitteln wird, wenn es gegen die Mächtigen in unserem Lande geht. Und auch die letzte Hoffnung der Whistleblower, die Richter, scheinen in Wirklichkeit nicht so unabhängig zu sein wie dies eigentlich sein sollten.

Dies wird klar beim Blick auf ein zweites Referat jener Tagung mit dem Titel „Selbstverwaltung an den Gerichten – vertikal (‚hierarchisches’ Modell) versus horizontal (‚demokratisches’ Modell)“. Dieses wurde uns jetzt, dankenswerter Weise, vom Autor, dem Richter am Verwaltungsgericht Horst Häuser aus Wiesbaden, zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt und ist keineswegs so technisch wie der Titel dies anzudeuten scheint. Auch Häuser spricht vielmehr Klartext. Hier einige Auszüge:

Das Richteramtsrecht ist auch heute noch weitgehend nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gestaltet. Es wurden lediglich einige Titel abgeschafft und eine eigene Besoldung für Richter eingeführt, doch es blieb bei dem beamtenähnlichen Laufbahn- und Beförderungssystem, das zu vielfältigen Abhängigkeiten führt. Das hatte zur fatalen Folge, dass auch unter der Herrschaft des Grundgesetzes ein für die Laufbahn von Beamten geschaffenes, von Weisungsgebundenheit und Wohlverhalten geprägtes Beurteilungssystem für die Richterinnen und Richter Geltung erlangte.
Damit fehlt es in Deutschland bis heute an einer ausreichenden Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit gegenüber der sogenannten Richterpersonalpolitik durch die Justizverwaltung. Hier – bei der „richterlichen Personalsteuerung“ – liegt aber die offene Flanke der richterlichen Unabhängigkeit.
Prof. Theodor Eschenburg hat die sozialpsychologische Wirksamkeit dieses Systems schon vor vielen Jahren auf den Punkt gebracht: „Wer befördert, befiehlt!“. …

Diese systembedingten Anpassungsmechanismen werden von den meisten Richterinnen und Richtern verleugnet oder verdrängt. Sie werden auch nicht als schmerzliche Deformation ihrer Persönlichkeit empfunden, sondern ihr angepasstes Verhalten wird zur “staatstragenden Gesinnung“ hochstilisiert und als wertvolle Charaktereigenschaft erlebt, die auch nicht im Widerspruch zu „ihrer“ richterlichen Unabhängigkeit steht.
Die richterliche Unabhängigkeit ist jedoch kein Recht des Richters, sondern eine Pflicht gegenüber dem Bürger: sie ist eine dem Richter auferlegte Verantwortung zu eigenständigem Denken und Handeln. Ein Richter kann sich den bequemen Luxus des Dienens und Gehorchens nicht leisten und er darf sich nicht der Macht und den Mächtigen „anpassen“. …

Das in Deutschland bis heute bestehende System der Verwaltung der Gerichte durch die Exekutive ist mit der Unabhängigkeit der Dritten Gewalt nicht vereinbar.
Dieses System entspricht nicht den Anforderungen, die an einen demokratischen, dem Gewaltenteilungsprinzip verpflichteten Rechtsstaat im Europa des 21. Jahrhunderts zu stellen sind. Die Gerichte sind daher aus der Fremdverwaltung der Exekutive zu lösen und in die Selbstverwaltung zu überführen.

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