„Wer immer die unwahren, tendenziösen Behauptungen, die jetzt kursieren, in die Welt gesetzt hat, will nichts verbessern oder aufklären, sondern Zwietracht und Misstrauen säen, verunglimpfen und beschädigen.“ Sich an die Presse, an die Öffentlichkeit zu wenden, sei ein „Akt der Illoyalität“. Damit versuchte die damalige Intendantin des rbb Schlesinger noch im Juli, potenzielle Whistleblower in den eigenen Reihen einzuschüchtern und eine öffentliche Debatte im Keim zu ersticken. Informant*innen hatten interne Dokumente zu den Missständen beim rbb an die Medien weitergegeben und so eine öffentliche Debatte über den Umgang mit öffentlichen Gebührengeldern und die Zielvorgaben für Boni ausgelöst. Rbb-Chefredakteur Biesinger wurde im hauseigenen Intranet noch konkreter und drohte Whistleblowern unmissverständlich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Selbst das inzwischen mit großer Geste eingerichtete rbb-eigene Recherche-Team dürfe nicht informiert werden.
Besser könnte die bisherige Rechtslage für Whistleblower nicht demonstriert werden. Nun aber gibt es einen Regierungsentwurf für ein Gesetz, mit dem Whistleblower geschützt werden sollen. Die Vorgänge am rbb machen exemplarisch deutlich, dass dieser Regierungsentwurf in wesentlichen Punkten unzureichend ist.
Erstens beschränkt sich sein Anwendungsbereich auf „Rechtsverstöße“. Missstände, die nicht gesetzlich sanktioniert sind, sollen nicht in den Schutzbereich des Gesetzes fallen. Angewendet auf den rbb bedeutete dies, dass der überwiegende Teil der erheblichen Missstände dort nicht einmal einem hausinternen Hinweisgeber-Gremium hätte risikofrei offenbart werden können, geschweige denn der Öffentlichkeit.
Zweitens ist die Hürde für öffentliches Whistleblowing nach wie vor viel zu hoch. Laut Gesetzentwurf wäre eine Offenlegung gegenüber den Medien in diesem Fall dann geschützt, wenn der Rechtsverstoß „wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann.“
Es ist schwer vorstellbar, dass die Rechtsprechung im Fehlverhalten von Intendantin und Verwaltungsrat oder im Kontrollversagen der Aufsichtsgremien eine „unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses“ erkennen würde. Erst recht würde kein potenzieller Whistleblower wissen können, ob er oder sie nicht Repressalien bis hin zur Kündigung ausgesetzt wären. Weder beim rbb noch bei den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Letztlich würden das die Richter*innen im Kündigungsschutzverfahren zu entscheiden haben, im Zweifelsfall höchstrichterlich am Ende des langen Instanzenwegs.
„Spätestens angesichts der Vorgänge am rbb sollten Regierung und Gesetzgeber begriffen haben, dass der Regierungsentwurf in entscheidenden Punkten zu kurz greift. Oder wollte irgendjemand ernsthaft in Frage stellen, dass die durch interne Hinweise angestoßene Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die Öffentlichkeit gehört?“ fragt Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk.
Die geplante Vorschrift zum öffentlichen Whistleblowing genügt weder dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit für Whistleblower noch dem Informations- und Partizipationsanspruch einer demokratischen Gesellschaft. Whistleblower müssen sich ohne Angst vor Repressalien unmittelbar an die Medien wenden dürfen, um im öffentlichen Interesse auf erhebliche Missstände aufmerksam zu machen. Andernfalls kann die „Vierte Gewalt“ ihre Kontrollfunktion nicht ausüben.
Kontakt:
WBN – Whistleblower-Netzwerk e.V.
Annegret Falter, Vorsitzende
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