Der detaillierte Koalitionsvertrag (unter Vorbehalt – die Mitglieder der Grünenpartei müssen noch zustimmen) enthält einen Passus zu Whistleblowing:
„Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote.“ (Randnummer 3728)
Es ist unklar ausgedrückt, in welchem Ausmaß die Vorgaben der Richtlinie auf nationales Recht ausgedehnt wird. Alle Straftatbestände und unternehmensrechtlichen Bußgeldtatbestände? Aber es ist vorgezeichnet, dass das kommende Gesetz einheitlich sowohl Verstöße gegen deutsches Recht als auch die Aufdeckung von erheblichen Missständen erfassen wird. Das bedeutete auch, dass bei besonderem öffentlichen Interesse Sachverhalte gemeldet werden können, die nicht klar illegal aber illegitim sind. Bezüglich Anwendungsbereich alles in allem ein großer Erfolg!
Zudem ist vorgesehen, eine unabhängige Kontrollinstanz für Streitfragen bei VS-Einstufungen zu schaffen. Das heißt nicht, dass Whistleblowerschutz auf Verschlusssachen ausgedehnt wird. Aber es eröffnet die Möglichkeit, dass potenzielle Whistleblower eine Anlaufstelle bekommen, was der Idee eines Bundestransparenzbeauftragten entsprechen könnte (siehe z.B. „Geheim? Geht euch gar nichts an…“).
Wozu der Koalitionsvertag sich leider nicht äußert, ist das öffentliche Whistleblowing an die Medien. Auch hier sollte dringend über die Richtlinie hinausgegangen werden und ein klarer Vorrang für die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit gelten. Freie Meinungsäußerung sollte vor anderen geschützten Interessen Vorrang haben, solange eine Offenlegung nicht leichtfertig und nicht wider besseres Wissen erfolgt und sofern sie eine das öffentliche Interesse wesentlich berührende Frage betrifft. Siehe hierzu unsere gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Positionen.
Nun bleibt abzuwarten, in welcher Form der Koalitionsvertrag umgesetzt wird. Das für die Umsetzung federführend zuständige Justizministerium wird künftig von der FDP geleitet werden.