Das federführende Bundesjustizministerium hat einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie vorgelegt. Wenige Tage später hat die SPD-Bundestagsfraktion ein Positionspapier für eine Whistleblowing-Gesetz verabschiedet.
Einbeziehung von gravierenden Missständen und nationalen Regelungsbereichen
Wie die SPD-Bundestagsfraktion erstmals offiziell verlauten ließ, will sie Whistleblower auch bei Hinweisen über Verstöße gegen nationales Recht schützen und nicht nur, wie unter anderem das Bundeswirtschaftsministerium, bei Verstößen gegen EU-Recht. Zurecht fordert die SPD-Bundestagsfraktion zudem eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf die Aufdeckung von Missständen und geht damit über den Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums hinaus. Whistleblower wie Brigitte Heinisch haben in vielen prominenten Fällen dringend notwendige öffentliche Debatten ausgelöst, selbst wenn sie „lediglich“ gravierende Missstände und keine Gesetzesverstöße aufgedeckt haben.
Umfassende Umsetzung in einem einheitlichen Whistleblowing-Gesetz
Die Einbeziehung nationaler Regelungsbereiche und Missstände in einem einheitlichen Whistleblowing-Gesetz würde auch für mehr Rechtssicherheit und Klarheit sorgen. Whistleblower stünden nicht vor der schwierigen Aufgabe, abwägen zu müssen, ob es sich um einen schwerwiegenden Missstand oder einen Verstoß gegen deutsches oder europäisches Recht handelt. Außerdem könnten sie ihre Rechte und Pflichten in einem einzelnen Gesetz nachvollziehen und die Konsequenzen ihres Handelns so besser einschätzen. Eine fragmentarische Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie durch Änderungen an bereits bestehenden Gesetzen lehnt Whistleblower-Netzwerk daher, ähnlich wie die SPD-Bundestagsfraktion, ab.
Ausreichend Kompetenzen und Ressourcen für Whistleblowing-Behörden
Wirkung wird ein derartiges Whistleblower-Gesetz aber nur entfalten können, wenn Whistleblower-Behörden mit ausreichend Ressourcen, Kompetenzen und qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Whistleblower werden erfahrungsgemäß insbesondere dann aktiv, wenn sie das Gefühl haben, Veränderungen bewirken zu können und vor Repressalien geschützt zu sein. Dies fordert das Positionspapier der SPD-Fraktion nun ausdrücklich.
Ein großer „Aber“ – Kein wirksamer Schutz für Whistleblower in den Geheimdiensten
Während die SPD-Fraktion Hinweisgeber*innen in Unternehmen und Behörden ermutigen und erstmals umfassend schützen will, sendet sie an Whistleblower aus den Geheimdiensten leider ein anderes Signal: Statt sie genauso wie in allen anderen Bereichen zu schützen, will sie die Offenlegung von Staatsgeheimnissen erst nach einem komplizierten Vorabprüfverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erlauben – unabhängig davon, wie gravierend die aufgedeckten Verfassungsverstöße und Missstände sind. Darin liegt zwar eine leichte Verbesserung der gegenwärtigen Gesetzeslage, die Geheimdienst-Whistleblowern bislang nur den unsicheren Weg zum Parlamentarischen Kontrollgremium ermöglicht. Ein deutscher Edward Snowden, der sich mit seinen Informationen aus gutem Grund direkt an die Medien gewandt hat, wäre dadurch aber nach wie vor nicht geschützt und müsste mit einer langen Haftstrafe rechnen.
Kosmas Zittel, Geschäftsführung Whistleblower-Netzwerk: „Das Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion geht an vielen Stellen in die richtige Richtung. Warum sie Whistleblower aus Geheimdiensten weiter abschrecken will, ist dagegen wenig nachvollziehbar.“
Weiterführende Informationen
Überlegungen zur nationalen Umsetzung
DGB-Gutachten zur Whistleblower-Richtlinie
Positionspapier mit Reporter Ohne Grenzen
Positionspapier mit Transparency International Deutschland
Kontakt
WBN – Whistleblower-Netzwerk e.V.
Kosmas Zittel
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Tel.: 0162 739365