Am 19.9.2017 verhandelt das Amtsgericht Oberndorf, Neckar ab 8.30 Uhr in öffentlicher Sitzung über die Strafanklage gegen den Friedensaktivisten Hermann Theisen wegen der Verteilung von Flugblättern an Mitarbeiter des dort ansässigen Waffenproduzenten Heckler & Koch.
Theisen hatte es am 5. und 13. Mai 2015 unternommen, die traditionellen Aktionsformen der Friedensbewegung mit denen des Whistleblowing zu verbinden, indem er die Mitarbeiter von Heckler & Koch – wenngleich vergeblich – dazu aufrief, die Öffentlichkeit über Hintergründe und Strukturen von Waffenexporten, die gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschafts-Gesetz verstoßen, und damit ggf. einhergehende Schmiergeldzahlungen zu unterrichten.
Theisens Aufrufe haben eine Vorgeschichte: Nämlich eine bis dahin – während der Dauer von fünf Jahren – nicht ausermittelte oder betriebene Strafanzeige der Kampagne “Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel“ vom 19. 4. 2010. Es geht um die mutmaßlich illegale Lieferung von Sturmgewehren in vier mexikanische Unruheprovinzen in den Jahren 2006 bis 2009. Die Strafanzeige führte erst in der Folge von Theisens Aktionen, nämlich am 30.10.2015, überhaupt zur Anklage-Erhebung durch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft und wiederum ein halbes Jahr später durch die 13. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes Stuttgart zu ihrer umfänglichen Zulassung (Aktenzeichen: 13 KLs 143 Js 38100/10).
Anders die Initiative der für Oberndorf örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft Rottweil:
Bereits in der ersten Jahreshälfte 2016 erwirkte diese beim dortigen Amtsgericht gegen Theisen einen – von ihm mit Rechtsmittel angegriffenen – Strafbefehl über € 3600.- wegen Hausfriedensbruchs in einem Fall und zweifacher Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB, nämlich zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Es überrascht, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart vor der Kleinen Strafkammer des LG – Stuttgart um die Beschaffung von Beweisen besorgt ist, während gleichzeitig die Staatsanwaltschaft Rottweil vor dem AG Oberndorf ebendies zu unterbinden sucht.
Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk, stellt fest:
„Offenbar hat staatliche Kontrolle wieder einmal versagt: diesmal die Kontrolle von Waffenexporten. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Zuverlässige Kontrolle kann u. U. nur mithilfe von Insider-Wissen erfolgen. Warum also nicht die Mitarbeiter von Heckler & Koch zum Whistleblowing aufrufen? Das liegt im öffentlichen Interesse, dient dem notwendigen demokratischen Diskurs und verdient nicht Strafe, sondern rechtlichen Schutz. Zuvörderst durch das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit.“
Whistleblower-Netzwerk fordert: Der nächste BT muss endlich ein Gesetz verabschieden, das Whistleblowing regelt und Whistleblower umfassend schützt. Außerdem ist verbindlich zu klären, dass illegale (Geschäfts)geheimnisse gerade kein schützenswertes Gut sind.
Für telefonische Rückfragen: 0170 – 2965660 (Annegret Falter)
Pressemitteilung (PDF)