Die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts der Schweiz hat mit Urteil vom 12.12.2011 (6B_305/2011) die Verurteilung der beiden Züricher Whistleblowerinnen Esther Wyler und Margrit Zopfi durch das Züricher Obergericht wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätze zu je 80 Franken bestätigt.
Dabei hat das Gericht insbesondere das Vorliegen des aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen verneint. Dieser setze nach der Rechtsprechung unter anderem voraus, dass die Straftat zur Erreichung des Ziels notwendig und angemessen sei und den einzig möglichen Weg darstelle, wohingegen die beiden Angeklagten hier die Möglichkeit ungenutzt gelassen hätten ihre Bedenken an andere öffentliche Stellen jenseits der Betroffenen Verwaltung der Stadt Zürich weiterzutragen. Unbeachtlich sei dabei, dass auch dies möglicher Weise einen Geheimnisverrat dargestellt hätte, da dieser dann jedenfalls weniger schwer gewogen hätte als der von den Whistleblowerinnen gewählte Weg zu den Medien.
Das Heinisch-Urteil des EGMR ignoriert das Bundesgericht unter Verweis darauf, dass das entsprechende Vorbringen der Angeklagten verspätet erfolgt sei.
Außerdem heißt es im Urteil:
„Den Beschwerdeführerinnen ist im Übrigen darin zuzustimmen, dass eine Regelung betreffend das Vorgehen bei der Meldung von Missständen am Arbeitsplatz im Interesse aller Beteiligten und Betroffenen sinnvoll sein mag. Allerdings kann eine tatbestandsmässige Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Meldung eines Missstandes an die Öffentlichkeit nicht schon – etwa gemäss Art. 14 StGB – gerechtfertigt sein, wenn bei der Meldung ein im Gesetz geregeltes Vorgehen eingehalten wird (vgl. auch den Vorentwurf von 2008 betreffend Teilrevision des Obligationenrechts [Schutz bei Meldung von Missständen am Arbeitsplatz], Art.321abis E-OR, betreffend „Meldung von Missständen“ sowie den Erläuternden Bericht zum Vorentwurf, Ziff. 1.4 S. 26). Ob eine Amtsgeheimnisverletzung gerechtfertigt ist, bestimmt sich wesentlich auch nach den auf dem Spiel stehenden Interessen, und davon kann es abhängen, welche verwaltungsinternen und verwaltungsexternen Wege vor dem Gang in die Öffentlichkeit zu beschreiten sind.“
Aus Sicht des Verteidigers der beiden Whistleblowerinnen, des Nationalrates und Strafrechtsprofessors Daniel Jositsch, der sich Whistleblower-Netzwerk e.V. nur anschließen kann, ist es der völlig falsche Weg Whistleblower mit ihren Anliegen, wenn sie diese an einer zuständigen öffentlichen Stelle vorgebracht haben, auch danach noch von Pontius zu Pilatus zu schicken. Das Urteil zeigt erneut, wie dringend der gesetzliche Handlungsbedarf für effektiven Whistleblowerschutz auch in der Schweiz ist. Jositsch will jetzt erneut eine entsprechende Initiative starten.
Uptdate: Laut NZZ will Frau Wyler jetzt unter Berufung auf das Heinisch-Urteil Beschwerde zum EGMR einlegen.