Den Spiegel-Journalisten Marcel Rosenbach und Holger Stark ist ein flüssig zu lesender, teils sogar spannender Überblick über die Entstehung und die ersten Wirkungsjahre von WikiLeaks gelungen.
Im Mittelpunkt steht, wie könnte es anders sein, Julian Assange. Folgerichtig steht am Anfang des Buches ein Portrait seiner Jugendjahre: Geprägt von einer zeitweise alleinerziehenden und umher reisenden Mutter, 37 Schulen und der Furcht vor Entdeckung durch die Sekte des Stiefvaters. Rosenbach und Stark sprechen insoweit von dunklen Momenten und dem bis heute für Assange prägenden Prinzip des Zurücklassens von Orten und festen sozialen Bindungen. Bindung entwickelt der hochbegabte Assange zunächst zum Lesen und dann zum Computer. Er wird zu einem der besten Hacker Australiens, kommt in einem ersten Konflikt mit dem Gesetz mit einem blauen Auge davon. Schon damals zeigte sich, z.B. im Engagement gegen die Versuche von Scientology die freie Rede im Internet zu unterdrücken, auch, dass Assange keineswegs unpolitisch war. Diffus ventilierte er schon 1996 eine Idee namens Leaks. Just in jenem Jahr als John Young cryptome.org begründete.
Bis zur Entstehung von WikiLeaks sollte es jedoch noch ein Jahrzehnt dauern und es sollte just jener John Young werden, auf dessen Name am 04.10.2006 die Domain Wikileaks.org dann erstmals registriert wird. Zu jener Zeit hatte Assange laut der Autoren lediglich einen harten Kern von fünf Freunden um sich geschart. Aber neben diesen hatte er aufgrund zahlreicher Reisen auch viele Kontakte in der ganzen Welt und auch nach Deutschland. Darunter Hacker aus dem Umfeld des CCC, ein anonym bleibender Architekt, der mittlerweile wohl zu OpenLeaks.org gewechselt ist und seit Ende 2007 auch Daniel Domscheit-Berg.
Auch jene die, wie dieses Blog, die Entwicklung von WikiLeaks bereits seit jener Zeit verfolgt haben, erfahren in dem vorliegenden Buch, das auf viele Gespräche mit Assange anderen WikiLeaks Mitarbeitern aber auch mit Ehemaligen und Kritikern zurückgeht, zahlreiche neue Details. Spannend sind auch die Einblicke die Rosenbach und Stark aus eigener Erfahrung schildern. Sie waren eng in die Spiegel Veröffentlichungen der Kriegstagebucheinträge und Diplomatendepeschen eingebunden und schildern, dass die Zusammenarbeit mit WikiLeaks keineswegs reibungslos verlief und Assange teilweise auch durchaus dünnhäutig auf Kritik reagiert. Hierzu passt die aktuelle Meldung, dass WikiLeaks, wie zuvor schon jene mit der NewYorkTimes nun auch die Zusammenarbeit mit dem Guardian beenden will.
Im letzten Teil setzen sich die Autoren dann auch noch mit der Philosophie hinter WikiLeaks auseinander und zeigen die gegenseitigen Weiterentwicklung von WikiLeaks und dessen Medienpartnern auf. Im Mittelpunkt steht für sie dabei nicht die Frage der sicheren Anlaufstelle für Quellen („sicheren Quellenschutz, garantiert beispielsweise de SPIEGEL seit seiner Gründung im Jahr 1947“), sondern jene des inhaltlichen Umgangs mit Informationen: „WikiLeaks gewinnt seine Existenzberechtigung als Nachrichtenmittler auch daher, dass Informanten sich mitunter bei klassischen Medien nicht mehr gut aufgehoben fühlen.“ Letzterem ist ebenso zuzustimmen, wie den Feststellungen der Autoren über den fehlenden Schutz und die schwache Lobby von Whistleblowern in Deutschland.
Rosenbach, Marcel; Stark, Holger: Staatsfeind WikiLeaks; ISBN: 978-3-421-04518-8; 2011