Der gestern vorgestellte Bericht der Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl, Spilker und Wastl in Auftrag der Erzdiözese München und Freising zu sexuellem Missbrauch und anderen Übergriffen scheint ein Dokument bemerkenswerter Klarheit zu sein. Leider ist dieser bisher auf der Webseite der Diözese nur in Form der Zusammenfassung verfügbar, aber bereits diese benennt klar Mechanismen die wahrscheinlich auch in anderen Organisationen als der katholischen Kirche zu beobachten sind wenn Vorwürfe gegen hochangesehene Mitglieder der verschworenen Gemeinschaft erhoben werden:
Diese nicht zu rechtfertigende Behandlung der Opfer ging einher mit einer inadäquaten Fürsorge für den jeweiligen Täter. Ihm und auch der Kirche galt jede Anstrengung, eine öffentliche Wahrnehmung des Tatgeschehens und – wie man meinte – einen Skandal zu vermeiden. Mit dieser aufklärungsfeindlichen Priorität steht das Fehlen jeglicher innerkirchlicher Sanktion in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle in Einklang.
Die durchgängig, wenn auch in unterschiedlicher Entschlossenheit ausgeprägte Bereitschaft, selbst gravierende Vergehen unaufgeklärt und ungesühnt zu belassen, findet ihre Wurzel auch in einem nach Überzeugung der Gutachter fehlinterpretierten klerikalen Selbstverständnis, das einem brüderlichen Miteinander verpflichtet in einem im Ergebnis rücksichtslosen Schutz des eigenen Standes eine Rechtfertigung für nicht tolerable Vertuschung sucht.
Mancher Whistleblower, z.B. aus der öffentlichen Verwaltung, nicht nur in Hessen, würde sich wohl einen entsprechenden Bericht wünschen.
Kardinal Marx ist Lob zu zollen, für den – allerdings durch die massive Öffentlichkeit geforderten und unterstützten – Mut einen solchen Bericht in Auftrag gegeben zu haben und seine Ergebnisse nicht in einer Schublade verschwinden zu lassen. Die systematische Aufklärung muss aber hier wie anderswo weitergehen, Strukturen müssen geändert, Täter soweit noch möglich sanktioniert und Opfer und Hinweisgeber entschädigt und rehabilitiert werden.