Beim Versuch, die Ursachen der Finanzkrise anzugehen und staatliche Kontrollmechanismen auszubauen, setzen die USA jetzt verstärkt auf ein Instrument, welches diesseits des Atlantiks noch weitgehend unbekannt ist: Whistleblowing. Nach Meinung des Whistleblower-Netzwerks sollten sich Politiker in Deutschland und Europa hieran ein Beispiel nehmen.
Schon beim Entstehen der Finanzkrise hatte es immer wieder Whistleblower, also Brancheninsider, wie z.B. Harry Markopoulos oder Paul Moore gegeben, die frühzeitig auf Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht haben. Leider hatten die Aufsichtsbehörden ihnen kein Gehör geschenkt. Stattdessen wurden sie von ihren Arbeitgebern abgestraft oder vor die Tür gesetzt.
Dies alles soll das soeben in Kraft gesetzte US-Gesetz zur Finanzmarkreform jetzt ändern. Es enthält zahlreiche Elemente, die dafür sorgen sollen, dass:
* Whistleblower zukünftig kompetente Ansprechpartner haben (z.B. durch Schaffung einer eigene Abteilung bei der Börsenaufsicht SEC),
* es für sie nicht nur Risiken, sondern auch Anreize gibt (Ausweitung der z.B. im Pharmabereich bewehrten Regelungen des False Claims Acts)
* sie im Verwaltungsverfahren und vor Gericht bessere Chancen haben (Verlängerung von Ausschlussfirsten, Ausweitung von Jury-Verfahren),
* sie besser vor Repressalien aller Art geschützt sind (ausgeweiteter arbeitsrechtlicher Schutz und strafrechtliches Sanktionierungsverbot).
Mit dieser Reform werden für die Privatwirtschaft neue Maßstäbe im Hinblick auf Whistleblowerschutz und Whistleblowingförderung gesetzt. Dies wird auch von US-Whistleblower-Organisationen begrüßt. Letztere fordern allerdings zusätzlich die Schaffung entsprechender Regelungen auch für Whistleblower aus der öffentlichen Verwaltung, aus Militär und Geheimdiensten, gegen welche die US-Regierung derzeit besonders hart vorgeht.
Nach Meinung von Guido Strack, dem Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerk e.V., wird das Thema von Politikern in Deutschland und Europa verschlafen: „Es ist doch absurd, wenn unsere Politiker zwar eine Übermacht der Wirtschafts- und Finanzlobby und eigene Informationsdefizite beklagen, aber beim Thema Whistleblowing, bei dem sie handeln könnten, untätig bleiben.“ Das Wissen, wo sich die nächsten Risiken verbergen, ist nach Meinung Stracks heute schon vorhanden: bei kritischen Menschen in den agierenden Unternehmen und Verwaltungen. Hier gäbe es viele, die gerne ethisch handeln und der Demokratie eine Chance zum agieren geben möchten. Aber derzeit würden sie von der Justiz, Politik und Gesellschaft alleine gelassen, als Nestbeschmutzer verunglimpft und als Geheimnisverräter verfolgt. Dort, wo sie dennoch die Zivilcourage aufbrächten, sich an Behörden zu wenden, höre ihnen keiner zu. Oder aber die zuständigen Stellen sind unterbesetzt und glauben dann, ohne wirkliche Untersuchungen durchzuführen, allzu gerne den Beschwichtigungen der Mächtigen.
Das Whistleblower-Netzwerk fordert die Politik auf, dieses zu ändern und Whistleblowern auch in Deutschland und Europa durch klare gesetzliche Regelungen endlich eine faire Chance zu geben, sich für das Gemeinwohl einzusetzen ohne dabei ihre wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzen zu müssen: Nötig seien positive Bestärkung für Whistleblowing, effektiven Whistleblowerschutz und Ansprechpartner die zuhören und über genügend Macht verfügen Missständen rechtzeitig entgegenzutreten.