Die Staatsanwaltschaft habe „auch das Kräftefeld der politischen Strebungen, Erwünschtheiten, besser Verträglichkeiten einzubeziehen“. So gibt der Dr. Wilhelm Schlötterer eine Äußerung des ehemaligen Generalstaatsanwalts Hermann Froschauer (heute noch Vorsitzender der Münchener Juristischen Gesellschaft e.V.) vor dem Schreiber-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtages im Jahre 2001 wider und umschreibt damit zugleich den Gegenstand seines Buches. Darin geht es um Regierungsmitglieder, oberste Steurfahndungsstellen und Staatsanwälte die im Bezug auf bestimmte Personen das Legalitätsprinzip missachten. Es geht um Bayern, seine Minsterpräsidenten Strauß, Streibel und Stoiber, deren Amigos und um viele Beamte und Politiker, die jenen durch Taten oder Unterlassen immer wieder helfend zur Seite gestanden haben. Es geht um Bayern von den späten 1960iger Jahren bis heute, von Wienerwald bis Landesbank.
CSU Mitglied Dr. Wilhelm Schlötterer selbst war von 1975 bis 1998 hoher Ministerialbeamter im Finanzministerium in München, u.a. Leiter des Referats für Steuerfahndung und Steuerstrafrecht. Er war keiner jener Beamten, die schon zitterten wenn FJS sich räusperte und allzeit bereit waren seinen Erwünschtheiten möglichst in vorausahnendem Gehorsam nachzukommen. Nein, Schlötterer wagte den Widerspruch und wurde zum Whistleblower. Er stand loyal zum Steuerzahler und zum Gesetz, was ihm die Herren da oben aber stets als Illoyalität ihnen gegenüber ankreideten. Immer wieder machte er von seiner beamtenrechtlichen Remonstrationspflicht und seinem verfassungsmäßig verbürgten Petitionsrecht gebrauch, nur um erfahren zu müssen, dass die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag mit Unterstützung der Ministerialbürokratie die Ministerpräsidenten Strauß und Stoiber und deren Amigos auf den Sockel der Unantastbarkeit stellte, statt deren Rolle in dubiosen Machenschaften im Detail zu ergründen.
Glaubt man Schlötterer, so reihten sich Steuerhinterziehung, Lügen und Verfassungsbrüche durch CSU-Politiker und höchste Beamte munter aneinander und ermöglichten vor allem FJS das illegale Anhäufen eines sagenhaften Vermögens von mehreren hundert Millionen Mark. Angesichts all der Anschuldigungen, die in diesem Buch zusammengetragen werden, wundert es sehr, dass es, trotzt der nicht gerade meinungsfreundlichen Rechtsprechung in Deutschland, auch viele Monate nach seinem Erscheinen immer noch unzensiert erhältlich ist. Sollte etwa alles was Schlötterer schreibt wahr sein?
Für seine Zivilcourage bekam Schlötterer auch kräftig Gegenwind von oben. Seine Beförderungen wurden mehrfach rechtswidrig verzögert, er wurde gegen seinen Willen versetzt, Dispziplinarverfahren wurden gegen ihn eingeleitet und verschleppt, nur um dann letztlich doch ergebnislos eingestellt zu werden und schließlich wurden ihm sogar Strafanzeigen seitens des Finanzministers, des LZB-Präsidenten und des Ministerpräsidenten zu teil. Letztlich verlief all dieses aber im Sande, denn Schlötterer hatte sich nie etwas zu schulden kommen lassen.
Der Autor hat dies alles durchgestanden und sich den aufrechten Gang bewahrt, ist sich aber auch bewusst, dass es auch hätte anders ausgehen können. Nur seiner Familie, einigen Freunden, seinem Fachwissen, dem beharrlichen Festhalten an Wahrheit und Recht und auch einer gehörigen Portion taktischem Geschick hat er es wohl zu verdanken, halbwegs heil aus der Sache herausgekommen zu sein. Von all dem berichtet er in diesem Buch und gibt auch ganz konkrete Tipps. So z.B. im Kapitel „Waffenarsenal“ wo die Waffen des Beamten und des Ministers einander gegenüber gestellt werden und man erfahren kann, dass sich die Angriffe gegen den unbequemen Beamten richten können auf: seinen Charakter, seine Psyche, seine Fähigkeiten, sein berufliches Fortkommen, seine berufliche Position und die berufliche Existenz (bis dahin den Beamten – wie in den Fällen der hessischen Steuerfahnder – als geisteskrank zu deklarieren). Die Waffen des Beamten sind demgegenüber: die Wahrheit (möglichst mit Schriftstücken beweisbar), das Recht (vor allem Remonstrations- und Petitionsrecht) und die Rechtsprechung (soweit er beides strikt beachtet), sein Anwalt, seine Beharrlichkeit und das Vermeiden von Angst, denn wer zu viel Respekt zeigt oder gar Angst, hat schon fast verloren. Oder um letzteres mit einem Zitat von Bismark zu sagen: „Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen“.
Nicht desto trotz ist der Beamte, der sich gegen Rechtsbrüche seiner Vorgesetzten und der Minister wehrt auch heute noch strukturell beanachteiligt. Denn die andere Seite hat laut Schlötterer neben den angesprochen Angriffsmöglichkeiten auch Schutzschilde wie die Partei, das Bestreiten mit Unwissenheit, die Geheimhaltungspflichten, das Fehlen und Verschwinden von Akten, getreue Vasallen u.a.m. Für die Zukunft, so empfiehlt der Autor, sollte „eine Art Ombudsmann in Gestalt eines unabhängigen Kollegialorgans geschaffen werden, dem sich ein Beamter anvertrauen kann und das ihn gegebenenfalls schützt. Ohne eine solche neutrale Institution bleiben engagierte Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Betriebsprüfer und vergleichbare Beamte meist tragische Einzelkämpfer, die für ihre Zivilcourage im übertragenen Sinn bestraft werden.“
Das Buch ist ein Muss für Bayern, politische Interessierte, Whistleblower und solche die es werden wollen! Für diejenigen, die schon jetzt im Internet mehr über den Fall Schlötterer erfahren wollen empflieht sich die Webseite von Whistleblower-Netzwerk und die detaillierte Darstellung seines und anderer Fälle bei unserem Kooperationspartner ansTageslicht.de.
Schlötterer, Wilhelm: Macht und Missbrauch — Franz Josef Strauß und seine Nachfolger – Aufzeichnungen eines Ministerialbeamten; ISBN: 978-3-7716-4434-5; 2009. [buch.de]