Wer aufmuckt wird zwangspsychiatrisiert

Dies scheint die Maxime zu sein, wie Hessen mit kritischen Staatsdienern umgeht. Darauf jedenfalls deuten aktuelle Berichte im Spiegel und anderen deutschen Medien hin, die sich mit den Fällen des ehemaligen hessischen Steuerfahnders Rudolf Schmenger und seiner Kollegen beschäftigen. Schmenger ist Mitglied von Whistleblower-Netzwerk e.V. und einer der Preisträger des von VDW und IALANA vergebenen Whistleblowerpreises 2009.

Im Rahmen seiner Kooperation mit dem Dokumentationszentrum ansTageslicht.de, hat Whistleblower-Netzwerk e.V. jetzt eine vollständige Dokumentation des Falles bis hin zu Auszügen aus dem psychiatrischen Gutachten veröffentlicht. In jenem wurde von Dr. H aus Frankfurt nach der Untersuchung Schmenger eine eindeutig „paranoid-querulatorische Entwicklung“ und „Realitätsverlust“ „auf dem Boden eines primärpersönlich ausgeprägten Gerechtigkeitsempfindens“ bescheinigt, weil „ein unbeirrbarer Weg beschritten wurde, der aus Sicht von Herrn Schmenger nur beendet werden kann, wenn er rehabilitiert wird, wenn also all seine Vorwürfe als wahr anerkannt und strafrechtlich geahndet worden sind“. Hierzu heißt es dann im Gutachten wörtlich: „Verwirklichung dieser Version ist jedoch objektiv unrealistisch“.

Ähnliche Gutachten, in denen unter anderem von Anpassungsstörungen die Rede war, wurden vom selben Arzt auch für drei weitere Kollegen Schmengers erstellt, die daraufhin alle auf Kosten des Steuerzahlers frühpensioniert wurden. Schmenger selbst wurde jedoch 2007 in einem unabhängigen Gutachen eines Arztes der Universität Frankfurt bescheinigt, dass er „den Beruf des Steuerberaters in vollem Umfang ordnungsgemäß ausüben kann“. Die Landesärztekammer Hessen wurde eingeschaltet und geht nach eigenen Ermittlungen mittlerweile davon aus, dass es sich bei den Gutachten des Dr. H um „Gefälligkeitsgutachten“ für das Hessische Ginanzministerium bzw. die Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. handelt, die nichts mit der Realität zu tun haben. Sie hatte daher Klage vor dem Verwaltungsgericht Gießen und eine Strafanzeige gegen Dr. H bei der Staatsanwaltschaft eingeleitet, die daraufhin die Praxis und die Wohnung von Dr. Thomas H. durchsucht hatten.

Bei all dem drängt sich der Verdacht auf, dass die hessische Finanzverwaltung, die mit Hilfe der CDU-Mehrheitsfraktion und unter Verweigerung von Aussagegenehmigungen parallel bereits die Aufklärung der Affaire um eine „Amtsverfügung zur Schonung von Steuerhinterziehern am Bankplatz Frankfurt“ durch einen Untersuchungsausschuss des Landtages verhindert hatte, sich auf diesem medizinischen Wege elegant jener Beamten entledigen wollte, die es nach wie vor als ihre Pflicht ansahen, die Interessen der Steuerzahler höher zu bewerten als das rechtswidrige, standort- und parteipolitische Kalkül ihrer Vorgesetzten.

Guido Strack, der Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerk e.V. erklärte hierzu: „Der Einsatz von Psychiatern um Kritiker loszuwerden, war mir bisher vor allem aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks vertraut. Es ist erschreckend, dass dies auch heute in Deutschland nicht ausgeschlossen werden kann. Der Fall zeigt, dass die antiquierte Amtsverschwiegenheit gegenüber Strafverfolgungsbehörden und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen endlich abgeschafft werden muss und dass Whistleblower einen effektiven Schutz brauchen.“ Mit Spannung erwartet Strack jetzt das Ergebnis der Untersuchungen der Staatsanwaltschaft: „Etwas skeptisch bin ich schon, ob gerade die an die Weisungen der hessischen Landesregierung gebundene Staatsanwaltschaft wirklich alles tun wird, um diese Affaire umfassend aufzuklären. In der Vergangenheit ist Regierungskriminalität von den Staatsanwaltschaften jedenfalls oft übereifrig schnell verneint worden. Da wird sich dann zeigen, ob die Erwartung von Gerechtigkeit in Hessen tatsächlich objektiv unrealistisch ist.“


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