Evaluation EU-Whistleblowing-Richtlinie: Call for Evidence

Die EU-Whistleblowing-Richtlinie (EU) 2019/1937 verpflichtet die Europäische Kommission, die Umsetzung und Wirksamkeit der nationalen Umsetzungsgesetze zu bewerten. Gemäß Artikel 27 Absatz 3 der Richtlinie muss die Kommission bis zum 17. Dezember 2025 dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Auswirkungen der nationalen Rechtsvorschriften vorlegen. Ziel dieser Evaluierung ist es, zu prüfen, ob die Vorschriften wie beabsichtigt funktionieren und ob weitere Maßnahmen oder Änderungen notwendig sind.

Im Zuge der Erstellung dieses Berichts hat die Kommission einen „Call for Evidence („Sondierung“) durchgeführt, um Feedback aus der breiteren Öffentlichkeit zu sammeln. Im Rahmen dieses Prozesses, hat Whistleblower-Netzwerk untenstehende Einschätzung eingereicht. Die nächsten Schritte umfassen eine öffentliche Konsultation und die Ausarbeitung eines Berichtsentwurfs, dessen Verabschiedung für das erste Quartal 2026 geplant ist.

Als Whistleblower-Netzwerk, das Betroffenen aus ganz Deutschland beratend zur Seite steht und den Gesetzgebungsprozess eng begleitet hat, gehen wir im Folgenden insbesondere auf das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ein.

 Fehlende vollständige Wiedergutmachung und Unterstützung

Das HinSchG sieht keine vollständige Wiedergutmachung für Whistleblower vor. Es fehlt ein Rechtsanspruch auf immateriellen Schadensersatz („Schmerzensgeld“). Ein Rechtsanspruch auf die Begründung oder Wiederherstellung eines Arbeits- oder eines anderen Vertragsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg, wenn dieser infolge einer Repressalie verwehrt wurde, wird im Gesetz explizit ausgeschlossen.

Wir fordern zudem die Schaffung eines Whistleblower-Unterstützungsfonds für rechtsberatende, psychologische und kompensatorische Leistungen.

Eingeschränkte Wahlfreiheit bei Meldewegen

Der Schutz des HinSchG greift bei externen Meldungen nur dann, wenn diese an die im Gesetz benannten externen Meldestellen gerichtet sind. Meldungen an andere staatliche, oft naheliegendere, Stellen fallen nicht unter den Schutz des HinSchG. Auch bei internen Meldungen greift der Schutz nur, wenn der dafür eingerichtete interne Meldekanal genutzt wird.

Unzureichende Kommunikation mit Whistleblowern

Die Definition von Folgemaßnahmen im HinSchG ist zu eng gefasst und auf die Handlungen des direkten Berichtsempfängers beschränkt. Gibt eine externe Meldestelle einen Fall an eine andere Behörde ab, besteht anschließend keine Pflicht mehr, die hinweisgebende Person über den weiteren Fortgang zu informieren. Das hat zur Folge, dass Whistleblower nicht erfahren, ob ihre Meldung zu einer wirksamen Abstellung des Missstands geführt hat.

Mangelnde Rechtsklarheit und -durchsetzung

Das HinSchG verbietet Repressalien über eine Generalklausel ohne diese, wie in der EU-Richtlinie, mit Beispielen zu veranschaulichen. Die fehlende Konkretisierung erschwert es Betroffenen, zu wissen, welche Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers unzulässig sind.

Ein weiterer Mangel ist das Fehlen von Ordnungsgeldern für das Anstrengen mutwilliger Gerichtsverfahren gegen Hinweisgeber. Diese Klagen dienen oft dazu, Whistleblower finanziell und psychologisch zu zermürben.

Zu enger sachlicher Anwendungsbereich

Das HinSchG schützt bislang nur Meldungen, die bestimmte Rechtsverstöße betreffen. Gravierende Missstände oder schwerwiegendes Fehlverhalten, die unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße liegen, fallen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Dabei wird verkannt, dass rechtliche Regelungen häufig nicht mit technischen Entwicklungen Schritt halten (z.B. im Bereich künstliche Intelligenz). Zudem tragen Whistleblower durch die Aufdeckung von legalen, aber ethisch fragwürdigen Entwicklungen wesentlich dazu bei, öffentliche Debatten über kontroverse Themen anzustoßen.

Problematische pauschale Ausnahmen bei nationaler Sicherheit

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) enthält weitreichende pauschale Ausnahmen für Angelegenheiten der nationalen Sicherheit, Verschlusssachen und Kritische Infrastruktur. Laut der Rechtsprechung des EuGH darf sich ein Mitgliedstaat nur dann auf Ausnahmeregelungen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit berufen, wenn er nachweist, dass dies zum Schutz seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen notwendig ist. Das HinSchG greift demgegenüber auf eine generelle Ausschlussklausel zurück, die auch dann gilt, wenn der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen nicht betroffen ist.

Vertraulichkeitspflicht für zivilgesellschaftliche Beratungsstellen

Zivilgesellschaftliche Organisationen leisten durch einen unverzichtbaren Beitrag, indem sie unabhängige und niedrigschwellige Beratungsangebote für Whistleblower bereitstellen. Sie sollten nur in sehr wenigen Ausnahmefällen dazu verpflichtet werden können, die Identität des Whistleblowers oder die Inhalte der Meldung preiszugeben, analog zur anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht.

 

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