Wie die Nachrichtenagentur Associated Press am 21. September 2011 berichtete, liegt der Fall des Whistleblowers Masaharu Hamada nun dem Obersten Gerichtshof Japans zur Entscheidung vor.
Hamada hatte 2008 seine Firma Olympus geklagt, weil er versetzt und herabgestuft worden war, nachdem er die Beschwerde eines Lieferanten weitergeleitet hatte. Dieser hatte sich darüber beklagt, dass Olympus seine besten Angestellten abwerbe.
Hamada informierte zunächst seinen Vorgesetzten und in weiterer Folge Olympus‘ „Compliance“ Abteilung. Daraufhin folgte eine Versetzung von der Verkaufabteilung, in der einen guten Ruf hatte, in die Forschungsabteilung und schließlich in die Abteilung für Qualitätskontrolle. Dort wurde er fachlichen Tests unterzogen, die er manchmal nur um Haaresbreite nicht bestand. Hamada sah darin eine Zermürbungstaktik, die ihn an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte. „Kein Wunder, dass so viele Angestellte japanischer Unternehmen Selbstmord begehen“, meint er.
Hamada verlangte umgerechnet rund € 97.000.- Schadenersatz und die Wiedereinsetzung in jene Position, die er inne hatte, bevor die Repressalien gegen ihn einsetzten. Am 31. August 2011 sprach ihm die gerichtliche Berufungsinstanz, das Tokyo High Court, umgerechnet € 21.000.- zu.
“Ich dachte, das Richtige für meine Firma und die Gesellschaft zu tun. Etwas ist faul, wenn eine ehrliche Person unter die Räder kommt“, erklärte der 50-jährige Hamada nach seinem Obsiegen in zweiter Instanz.
Nun ist – wie gesagt – der Oberste Gerichtshof am Zug, da Olympus den Rechtsfall in die letzte Entscheidungsinstanz getragen hat. Dessen Urteil wird bestimmend dafür sein, wie japanische Unternehmen in Hinkunft mit Whistleblowern umgehen.
In den vergangenen Jahrzehnten sind laut Associated Press nur eine Handvoll Whistleblower hervorgetreten. So zum Beispiel Hiroaki Kushioka, ein Jurist, der, nachdem er auf Missstände hingewiesen hatte, in ein winziges Büro verbannt wurde und 30 Jahre lang gegen ein bloßes Einstiegsgehalt Garten- und Schneeräumungsarbeiten verrichtete.
Sein Vergehen: er hatte ein Preiskartell, aufgrund dessen seine Transportfirma, die „Tonami Transportation Co.“, überhöhte Entgelte kassiert hatte, auffliegen lassen. Als seine Vorgesetzten und die Gewerkschaft nichts unternahmen, wandte er sich an eine Zeitung sowie an Abgeordnete und Staatsanwälte.
Nach 30 Jahren erduldetem Unrecht brachte das Jahr 2005 Kushioka schliesslich den Erfolg, von einem Gericht als schutzwürdiger Whistleblower anerkannt zu werden, und es wurden ihm umgerechnet € 130.000.- Schadenersatz zugesprochen.
Kushioka hatte mit der Einbringung seiner Klage bis 2002 gewartet. Erst als seine Kinder die Schule beendet hatten und seine Sohn eine Arbeit gefunden hatte, ging er zu Gericht. Kushioka konnte all die Jahre auf die stille Unterstützung seiner Frau zählen. Seinen Kindern hatte er nie erzählt, was er durchmachen musste: Er wollte ihnen die Sorgen ersparen.
“Whistleblower werden in Japan immer noch als Verräter, die sich gegen das System stellen, angesehen“, meinte Kushioka, „in Japan geht es immer nur um das Team, nie um das Individuum“.
Kushioka, der 2006 das Pensionsalter erreichte, empfand all die Jahre der Isolation nicht als verlorene Zeit: „Jedes Unternehmen braucht einen Whistleblower; ich habe ein sehr sinnstiftendes Leben geführt“.
Ein Jahr nach dessen Obsiegen vor Gericht, trat im April 2006 Japans Whistleblowing Gesetz in Kraft. Laut Japan Times haben bis 2009 Tokyo‘s Rechtsanwälte 108 Whistlblowing Fälle bearbeitet. Diese relativ niedrige Zahl sei auf den unzureichenden Schutz, den dieses Gesetz bietet, zurückzuführen. Neben anderen Unzulänglichkeiten sieht es vor allem keine Strafe für Arbeitgeber vor, die Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower ergreifen.
Den Weg der Strafbarkeit hat jüngst Irland eingeschlagen: Repressalien gegen WhistleblowerInnen werden in allen Unternehmen laut dem neuen irischen Criminal Justice Act 2011 mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet (para 21).
Doch trotz der gesetzlichen Nachteile konnte im September 2007 ein weiterer japanischer Whistleblower einen Sieg verbuchen:
Toshiro Semba hatte aufgedeckt, dass seine Vorgesetzten Rechnungen gefälscht hatten, um auf Staatskosten teuer essen zu gehen. Dem Polizisten wurde, nachdem er den Missstand aufgedeckt hatte, die Dienstwaffe weggenommen, und er wurde für 500 Tage alleine in eine enge Kammer eines Polizeigebäudes verbannt. 34 Jahre lang wurde er nicht befördert. Trotz all dieser Erniedrigungen trage er den Titel des Polizeihauptmannes mit Stolz, so Semba.
Aufgrund der gegen ihn gesetzten Repressalien wurden ihm ein Schadenersatz in Höhe vom umgerechnet € 6.500.- zugesprochen. Das Geld spendete er einem gemeinnützigen Zweck, und zwar einer Ombudsmann Organisation, denn des Geldes wegen habe seinen jahrelangen Kampf nie geführt.
Siehe auch Blogeintrag vom 12. Juli 2011.
Whistleblowing Austria / Walter Gehr