Durch Daniel Ellsberg erfuhr die Welt, dass die US-Regierung die Öffentlichkeit über wesentliche Aspekte und Ziele des Vietnam-Krieges getäuscht hatte. Mit der Veröffentlichung der Pentagon Papers wollte er das Endes des Krieges beschleunigen. Er war Verleumdung und Verfolgung ausgesetzt. Trotz der erlittenen Repressalien hofft er, andere würde seinem Beispiel als Whistleblower folgen. Zeit seines Lebens kämpfte er gegen die Einschränkung von Freiheitsrechten, setzte sich für den Frieden ein und rief öffentlich zum Whistleblowing auf. Er erkämpfte ein Grundsatzurteil zur Pressefreiheit.
Daniel Ellsberg wurde mehrfach verhaftet. Im Alter von 92 Jahren ist nach einer schweren Erkrankung am 16. Juni 2023 gestorben.
Interviews und Artikel von Daniel Ellsberg finden Sie hier, einen Nachruf von Michael Sontheimer auf Spiegel+ hier. Im untenstehenden Artikel vom 19. Februar 2019 erinnert sich Annegret Falter an ein bewegendes Treffen mit ihm.
Daniel Ellsberg - Whistleblower der ersten Stunde
Schuld
von Albrecht Haushofer, Moabiter Sonnette
Ich trage leicht an dem, was das Gericht
mir Schuld benennen wird: an Plan und Sorgen.
Verbrecher wär‘ ich, hätt‘ ich für das Morgen
des Volkes nicht geplant aus eigner Pflicht.
Doch schuldig bin ich anders als ihr denkt!
Ich musste früher meine Pflicht erkennen,
ich musste schärfer Unheil Unheil nennen
Mein Urteil hab ich viel zu lang gelenkt …
Ich klage mich in meinem Herzen an:
Ich habe mein Gewissen lang betrogen,
ich hab mich selbst und andere belogen –
Ich kannte früh des Jammers ganze Bahn.
Ich hab gewarnt – nicht hart genug und klar!
Und heute weiß ich, was ich schuldig war
Daniel Ellsberg war Anfang Februar in Berlin. Bei der Veranstaltung Cinema for Peace, die alljährlich im Rahmen der Berlinale stattfindet, hielt er als Ehrengast eine bewegende Rede.
Mit der Veröffentlichung der „Pentagon Papers“ zu den Hintergründen des Vietnam-Krieges hat sich Ellsberg 1971 ein Denkmal als Whistleblower gesetzt. Als ich Ellsberg anlässlich der Whistleblower-Preisverleihung 2003 kennenlernte, zitierte er den Widerstandskämpfer Albrecht Haushofer, der noch kurz vor Kriegsende von den Nazis umgebracht wurde:
ICH HAB GEWARNT – NICHT HART GENUG UND KLAR!
UND HEUTE WEISS ICH, WAS ICH SCHULDIG WAR.
Dies ist eine Zeile aus dem Gedicht „Schuld“ der „Moabiter Sonnette“, die Haushofer in Moabit im Gefängnis schrieb. Bei unserem Treffen in Berlin, zu dem ich das Büchlein mitbrachte, las Daniel Ellsberg das Sonnett auf Deutsch vor. Für mich eine unvergessliche Erinnerung an zwei große und auf berührende Weise einander ähnelnde Menschen.