Am morgigen Mittwoch, 25.05.2011, findet ab 9.00 Uhr im Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments ein Hearing zum Thema „Whistleblowing“ statt, welches live im Internet gestreamt und anschließend in der Mediathek des Parlaments verfügbar sein wird.
Das Hearing gliedert sich in drei Blöcke. Zunächst wird dabei eine, seit wenigen Tagen online verfügbare, neue Studie von PwC Belgien, zur Effektivität von Whistleblowing in den EU-Institutionen vorgestellt. Ähnlich wie die beiden anderen zu diesem Thema vorliegenden Studien, aus den Jahren 2006 und 2008, kommt auch diese Studie, zu für die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen im Umgang mit Whistleblowern beschämenden Ergebnissen. So heißt es z.B. in Kapitel 3.2.5.:
„In each of the interviews we had for this study the interviewees indicated that top and line management in the EU institutions and agencies is not transparent and constructive. People are afraid to voice their opinion no matter what the topic is.“
Wobei PwC nach eigenen Angaben Interviews nicht nur mit Whistleblowern, sondern auch mit den für die Bearbeitung von Whistleblowing zuständigen und anderen Schlüsselpersonen aus den Institutionen machte. Vernichtender kann eine Beurteilung wohl kaum ausfallen. Das Fazit der Studie lautet:
„The main conclusion is that whistleblowing can be made a more effective instrument for fighting corruption and conflict of interest in EU institutions, not only by adapting the current whistleblowing rules, but mainly by implementing a new generation whistleblowing programme with the right ‘checks and balances’: avoiding misuse on the one hand and being perceived by the potential bona fide whistleblower as credible.“
Im zweiten Block des Hearings wird dann ein Whistleblower aus der EU-Kommission selbst zu Wort kommen. Liest man die von Guido Strack, dem Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerks, bereits vorgelegte schriftliche Stellungnahme und die nun dazu auf ansTageslicht.de/strack veröffentlichte umfangreiche Dokumentation und „Chronologie der nicht enden wollenden Geschichte“, so verspricht dies ein spannender Auftritt mit weiteren unbequemen Wahrheiten über die EU-Kommission, OLAF und auch den praktischen Umgang der anderen EU-Institutionen (bis hin zu den EU-Gerichten) mit Whistleblowern zu werden. Ebenfalls im zweiten Block zu Wort kommen wird Pieter Omtzigt, ein Abgeordneter des niederländischen Parlaments und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Dort war er der Berichterstatter für die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats 2010 verabschiedete Entschließung zum Thema Whistleblowing.
Im dritten Block schließlich, kommt eine weitere Whistleblowerin zu Wort. Diesmal aus einer internationalen Organisation, der Weltbank. Und die dort lange als hochrangige Juristin tätige Karen Hudes hat ebenfalls vieles zu berichten über die verborgenen Wirklichkeiten hinter den Fassaden jener Organisationen. Den Abschluss bildet eine schon in der schriftlichen Ausarbeitung hervorragende Zusammenfassung über den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema „Whistleblowing“ durch Prof. David Lewis von der University of Middlesex (London). Er zeigt erhebliches Nachbesserungspotential für die rechtlichen Regelungen zum Whistleblowing auf EU-Ebene vor und verweist zum Abschluss seiner Studie auf die Parallelitäten von Whistleblowerschutz und dem bereits durch EU-Richtlinien verankerten Anti-Diskriminierungsschutz. Dies würde es ermöglichen, in ganz Europa wesentliche bessere rechtliche Standards im Umgang mit Whistleblowing und zum besseren Schutz von Whistleblowern zu etablieren. Deren Notwendigkeit war vor kurzem auch durch eine vergleichende Studie zu Whistleblowing in 10 EU-Mitgliedstaaten, von Transparency International bestätigt worden.
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob das Europäische Parlament diesmal auch praktische Folgerungen aus den von dem Hearing zu erwartenden Erkenntnissen ziehen wird. 1999 hatten – im Anschluss an das Whistleblowing von Paul v. Buitenen – Erkenntnisse über Vetternwirtschaft und die – ausweislich der aktuellen PwC-Studie im wesentlichen wohl heute immer noch vorzufindende – mangelnde Verantwortlichkeit in der EU-Kommission, zu deren Rücktritt geführt. 2006 aber war die Studie des Parlaments, von der für Gesetzgebungsvorschläge allein zuständigen Europäischen Kommission, weitestgehend ignoriert worden und blieb somit folgenlos.
2011 sollte man den bisherigen und zukünftigen EU-Whistleblowern ein anderes Ergebnis wünschen, vor allem aber auch den Bürgerinnen und Bürgern und Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Europas. Denn dort, wo Whistleblowing unterbleibt oder folgenlos bleibt, können Missstände, Vetternwirtschaft und Verschwendung fortbestehen. Alle Europäerinnen und Europäer zahlen dann wieder einmal die Zeche!