Friedhelm Brors

Friedhelm Brors

Autor: Dipl.-Journ. Lothar Hausmann

Friedhelm Brors, Sozialrechtsexperte in der Personalabteilung der Mannesmann Röhrenwerke Düsseldorf-Rath, entdeckt Mitte der 1990er Jahre einen riesigen Betrug mit europäischen Beihilfen, die gezielt für den Abbau von Personal vorgesehen waren. Durch Verschiebung von Mitarbeitern und Rückdatierung von Verträgen wurden nicht nur die Steuerzahler in Millionenhöhe geschädigt, sondern auch Hunderte Arbeitnehmer unter falschen Voraussetzungen in die Frühverrentung gelockt. Sein internes und später externes Whistleblowing mutet bis heute an wie ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen.

Was wurde aufgedeckt und worin bestand das öffentliche Interesse?

Anfang der 1990er Jahre genehmigt die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, eine Vorläuferin der EU, dem Hüttenwerk Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg, rund 450 Mitarbeiter „sozialverträglich mit Beihilfen aus Steuergeldern bis 1995 abzubauen“. Problem für HKM in Duisburg: Das Unternehmen hat gar nicht so viele eigene Mitarbeiter, die in diesem Zeitraum hätten abgebaut werden können. So verfällt die Chefetage auf den Trick, Beschäftigte aus anderen Konzerntöchtern in Düsseldorf oder Mülheim „auf dem Papier“ zu verschieben und ihre Aufhebungsverträge teilweise rückzudatieren, um mehr Geld aus öffentlichen Kassen zu erhalten.  Federführend hierbei: der spätere Personalleiter der Salzgitter Mannesmann Grobblech GmbH in Mülheim. Er selektiert gezielt Arbeitnehmer über 55 Jahre, überstellt sie mit einem Federstrich nach Duisburg und organisiert noch am selben Tag ihr Ausscheiden.

Was hat der Whistleblower unternommen?

Personalsachbearbeiter Friedhelm Brors meldet der Geschäftsleitung die offenkundige Manipulation, geht doch der Sozialbetrug  zu Lasten aller Steuerzahler. Leidtragende sind aber auch eine Reihe älterer Kollegen, denen das vorzeitige Ausscheiden durch angeblich „attraktive Sozialverträge“ schmackhaft gemacht wird. Faktisch aber geraten sie durch anstehende gesetzliche Kürzungen und geringere Betriebsrenten in eine Rentenfalle. Statt diese Praxis zu beenden und die Betroffenen aufzuklären, wird Brors angewiesen, die korrekten Informationen  der Belegschaft vorzuenthalten, um den Personalabbau nicht zu gefährden. Friedhelm Brors nimmt dies zunächst zur Kenntnis und informiert lediglich den Betriebsrat.

Was waren die Folgen für den Whistleblower?

Weil Brors viel Vertrauen bei Kolleginnen und Kollegen genießt, berät er sie auf Nachfrage weiterhin bei Problemen zur Verrentung und der neuen Gesetzeslage.  Daraufhin entzieht man ihm im September 1998 seine Aufgaben und versetzt ihn. Aber auch im neuen Arbeitsbereich bleibt Brors unbequem. Hatte sein Arbeitgeber bis dato alle Anfragen ehemaliger Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener auf Entschädigungsleistungen mit dem Hinweis abgelehnt, alle Unterlagen seien durch Bombenangriffe im Krieg zerstört worden, entdeckt Brors in Vertretung seiner erkrankten Kollegin im Archivkeller detaillierte Namenslisten. Statt die Belege zur massenhaften Zwangsarbeit im Unternehmen zwischen 1940 und 1945 zu vernichten, wie von der Personalleitung angeordnet, nimmt Brors einen Teil der Unterlagen nach Büroschluss in seiner Aktentasche mit nach Hause.

Die Situation eskaliert 2002, als Brors aufgefordert wird, die Mannesmann Röhrenwerke Rath gerichtlich gegen einen klagenden Mitarbeiter zu vertreten, um dort gegen besseres Wissen im Sinne des Unternehmens auszusagen. Brors weigert sich und vertraut sich einem ihm aus seiner Schöffentätigkeit bekannten Richter an. Dieser besorgt Brors einen Anwalt, mit dessen Hilfe er am 24. Juni die Geschäftsleitung schriftlich auf die Missstände  hinweist.

In der Folgezeit versucht sein Arbeitgeber, Brors mit gefälschten  Arbeitsunterlagen und konstruierten  Anschuldigungen zu angeblich unkorrekten Zahlungen an Mitarbeiter loszuwerden Auch wenn Brors trotz wiederholter Schikanen und Drohungen der Personalleitung, ihn zu feuern, standhaft bleibt, wächst doch der Druck aus der Familie, die zunehmend Sorge um ihre Existenz bekommt.

Was waren die gesellschaftlichen Folgen?

Bevor Friedhelm Brors an die Öffentlichkeit geht, wartet er deshalb seinen Ruhestand ab. Am 9. Juli 2011 trägt er auf einer Belegschaftsversammlung den wahren  Sachverhalt vor. Es gibt keine Stellungnahmen, nur betretenes Schweigen.

Obwohl größere und kleinere Medien (u.a. Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, WDR Duisburg) über den Subventionsbetrug  und das „Rentendebakel“ berichten, und auch etliche betroffene Frührentner von der IG Metall inzwischen bei ihrer Klage gegen das Unternehmen unterstützt werden, bleibt der aufgedeckte Sachverhalt für die Verantwortlichen bis heute folgenlos. Ganz im Gegenteil: dem verantwortlichen Personalleiter aus Mülheim wird eine Politikerkarriere offeriert , die in eine fünfjährige Amtszeit als Oberbürgermeister einer Ruhrgebietsstadt mündet. Und auch zwei offizielle Kleine Anfragen der Piraten-Fraktion im NRW-Landtag können die Vorgänge weder aufhellen, noch heilen: die Landesregierung teilt in ihrer Antwort am 5. Januar 2017 mit, dass die betreffenden Unterlagen schon 2004 von der Agentur für Arbeit vernichtet worden seien und so eine Aufklärung des Sachverhalts leider nicht mehr stattfinden könne.

Und die Politik?

Nicht nur von dieser Rückmeldung aus der Politik ist Friedhelm Brors enttäuscht. Denn neben dem IG Metall-Vorstand in Frankfurt im Februar 2013 informierte Bros im April 2013 auch die NRW-Landtagsabgeordnete Sarah Philipp – heute Parteivorsitzende der SPD NRW – und im Februar 2014 Bärbel Bas, die aktuelle Bundestagspräsidentin. Doch nach anfänglicher Begeisterung erlosch schnell das Interesse, nachdem klar wurde, wie viele Partei- und Gewerkschaftsmitglieder hier involviert waren . Das gilt übrigens auch für Bundespräsident Dr. Steinmeier. Zum Thema Zwangsarbeit bei Mannesmann hatte sein Referent zwar eine interessierte Nachfrage, danach geschah – nichts. Brors: „In Sonntagsreden wird immer wieder Zivilcourage eingefordert. Wenn man sie dann zeigt, wird man aufgrund politischer Zwänge und Machterhalt im Regen stehen gelassen.“ <Lothar Hausmann>

 

 

 

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