Mittlerweile liegen die Gesetzesvorschläge für die Reform der Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission vor die auch insgesamt durchaus kritisch betrachtet werden können.
Wie angekündigt hat die Koalition in ihrem gemeinsam mit der FDP eingebrachten Gesetzesentwurf in der Tat eine Whistleblowing Regelung vorgeschlagen. Demnach soll ein zu schaffendes Kontrollgremiumgesetz u.a. folgenden Paragraphen enthalten:
„§8 Eingaben
(1) Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden. Das Parlamentarische Kontrollgremium übermittelt die Eingaben der Bundesregierung zur Stellungnahme.
(2) An den Deutschen Bundestag gerichtete Eingaben von Bürgern über ein sie betreffendes Verhalten der in §1 Absatz 1 genannten Behörden können dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kenntnis gegeben werden. „
Demgegenüber haben Grüne und Linksfraktion jeweils keine vollständig neuen Gesetzesenwürfe vorgelegt sondern sich auf Änderungsgesetze zum bereits geltenden Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes beschränkt. Der Vorschlag der Linksfraktion besteht dabei nur aus einem Absatz der sich mit dem durchaus nicht unwichtigen Punkt der Beobachtung von Abgeordneten befasst. Demgegenüber äußert sich der umfassendere Vorschlag der Grünen (der u.a. auch eine Aufhebung des absoluten Informations-Versagungsgrundes des § 3 Nr. 8 des Informationsfreiheitsgesetzes [IFG] vorsieht) auch zum Thema Whistleblowing durch Geheimdienstler. Der bisherige § 2d des Gesetzes soll nach den Vorstellungen der Grünen demnächst wie folgt lauten:
“ § 2d
(1) Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium oder eines seiner Mitglieder zu wenden. An den Deutschen Bundestag gerichtete Eingaben von Bürgern über ein sie betreffendes Verhalten der in § 1 Abs. 1 genannten Behörden können dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kenntnis gegeben werden.
(2) Niemand darf wegen Anrufung des Parlamentarischen Kontrollgremiums oder eines seiner Mitglieder dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden. Die Beweislast, dass eine anders begründete Maßregelung oder Benachteiligung nicht hierauf beruht, trägt der Dienstvorgesetzte bzw. Arbeitgeber.“
Im Gegensatz zum Koalitionsentwurf äußert sich der Entwurf der Grünen auch in seiner Begründung eingehend zur vorgeschlagenen Whistleblower-Regelung.
„Zu § 2d
Zu Absatz 1
Weiterhin dürfen sich Angehörige der Nachrichtendienste in dienstlichen Angelegenheiten an das Parlamentarische Kontrollgremium wenden, doch nunmehr auch je nach ihrer Wahl direkt an eines seiner Mitglieder.
Ferner wird neu geregelt, dass die Kontaktierung des PKGr oder eines seiner Mitglieder „unmittelbar“ erfolgen darf, also anders als derzeit zuvor keine vergebliche Beschreitung des Dienstweges erfordert.
Schließlich dürfen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienste – statt nur „Eingaben“ wie derzeit – mit Hinweise aller dienstlichen Art an das PKGr wenden, etwa bezüglich dienstlicher Missstände.
Das Prinzip rechtmäßigen Behördenhandelns erfordert die Aufdeckung und Bereinigung von Missständen auch in den Nachrichtendiensten. Solche können angesichts dortiger hoher Geheimhaltungsprinzipien vor allem durch dortige Beschäftigte dem PKGr mitgeteilt werden.
Dass Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Dienste nun ein unmittelbarer, direkter Zugang zum PKGr oder zu einzelnen Mitgliedern gestattet wird, stellt sicher, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich bei derlei Hinweisen nicht ins Unrecht setzen.
Das Recht der Angehörigen der Dienste nach Satz 1 ist zwar begrenzt auf dienstliche Angelegenheiten, die nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger liegen. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass Angelegenheiten an das PKGr bzw. ein Mitglied herangetragen werden, die neben dienstlichen Missständen mittelbar auch eigene Interessen betreffen.
Absatz 1 Satz 2 entspricht dem bisherigen Satz 2.
Zu Absatz 2
Diese Regelung soll sicherstellen, dass Angehörige der Dienste nicht deshalb gemaßregelt werden, weil sie sich an das PKGr gewandt und so das Parlament bei seiner Kontrolltätigkeit unterstützt haben. Bei etwaigen Maßregelungen oder Benachteiligungen des betreffenden Mitarbeiters beziehungsweise der Mitarbeiterin im zeitlichen Zusammenhang mit Kontaktierung des PKGr muss die Behörde darlegen, dass ihre Sanktion nicht darauf beruhte. Damit sollen Umgehungen des Diskriminierungsschutzes verhindert werden, die sonst leicht möglich wären. „
Unter den Gesichtspunkten eines nötigen effektiven Whistleblowerschutzes ist der Vorschlag der Grünen dem Koalitionsvorschlag deutlich überlegen. Begrüßenswert sind vor allem die Bezugnahme auf ein einzelnes Mitglied der Kontrollkommission, das Benachteiligungsverbot und die vorgesehene Beweislastumkehr. Diese Elemente sollten in der weiteren parlamentarischen Beratung durchaus auch in Form von Änderungsanträgen zum Koalitionsvorschlag vorgebracht werden, schon um die Ernsthaftigkeit der SPD Bekundungen für besseren Whistleblowerschutz zu testen.
Weitere Verbesserungsmöglichkeiten bestünden z.B. darin:
- für Jedermann die Möglichkeit zu schaffen, sich mit Informationen an die Kontrollkommission zu wenden die in deren Tätigkeitsbereich fallen, so dass z.B. Polizisten oder freiberuflich für Nachrichtendienste tätige, aber auch andere Arbeitnehmer die zufällig von rechtswidrigen Geheimdienstaktivitäten Kenntnis erlangen (man denke an Journalisten oder Spezialisten bei Telekommunikationsunternehmen) dieses Recht haben und über das Benachteiligungsverbot entsprechend umfassend auch gegenüber privaten Arbeitgebern abgesichert sind;
- die Klausel „nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden“ sollte (dies ist in der Begrüdung des Entwurfs der Grünen angedeutet) auch textlich, etwa durch die Einführung des Wortes „ausschließlich“ eingeschränkt werden, letztlich wäre aber auch ein völliger Verzicht auf jene Klausel wünschenswert, die es ja im durchaus vergleichbaren §7 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten auch nicht gibt; dann wäre auch klar dass die PKGr-Mitglieder auch von Mobbing gegenüber Whistleblowern erfahren dürfen;
- analog zu Art. 17 GG, sollte die Formulierung „sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen“ eingefügt werden, was im Vorfeld auch einen Austausch und ein gemeinsames Vorgehen mehrerer Whistleblower ermöglichen würde und damit Isolation vorbeugen könnte;
- analog zu § 16 Absatz 1 Satz 2 des AGG sollte das Benachteiligungsverbot auch erstreckt werden auf „Personen, die den“ Whistleblower bzw.eine Petenten „hierbei unterstützen oder als Zeuginnen oder Zeugen aussagen“;
- zu überlegen wäre auch, ob das Eingaberecht nicht auch explizit das Recht zur Weiterleitung relevanter Beweismittel umfassen sollte, dies wäre für das PKGr hilfreich und als Klarstellung hinsichtlich des Schutzumfanges ebenfalls sinnvoll;
- natürlich wären auch noch Sanktionsregelungen für jene sinnvoll die trotzdem gegen Whistleblower vorgehen aber dies macht nur erneut deutlich, dass es hier letztlich nicht um ein allein die Geheimdienste betreffendes Problem geht und eine umfassende gesetzliche Regelung für effektiven Whistleblowerschutz dringend nötig ist.