Anlässlich des zweiten Jahrestags des Hinweisgeberschutzgesetzes (2. Juli) warnt Whistleblower-Netzwerk vor anhaltender Rechtsunsicherheit für Whistleblower. Der aktuelle Fall zweier VW-Manager, der am 24. Juni 2025 vor dem Arbeitsgericht Braunschweig verhandelt wurde, verdeutlicht: Die praktische Umsetzung des Gesetzes wirft viele ungeklärte Rechtsfragen auf – mit potenziell gravierenden Folgen für Whistleblower.
Die beiden Kläger hatten in den Fahrzeugdächern der VW-Modelle Grand California und Crafter krebserregende Stoffe (Benzol, Styrol, Formaldehyd) sowie unvollständige Materialdatenblätter entdeckt. Ihre internen Meldungen führten ihren Angaben zufolge jedoch nicht zu zureichender Abhilfe, sondern zur Benachteiligung, einschließlich einer verweigerten Beförderung.
„Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes fehlen noch immer höchstrichterliche Entscheidungen, die mehr Klarheit in zentralen Fragen schaffen“, erklärt Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk. „Der Fall VW zeigt, wie dringend notwendig eine Novellierung des Gesetzes ist. Abgesehen davon drängt sich die Frage auf: Wie steht es bei VW mit den angeblichen Lehren aus dem Abgasbetrug?“
Die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld der VW-Manager wurde als unbegründet und unzulässig abgewiesen. Zur Begründung sagte der Vorsitzende Richter laut Braunschweiger Zeitung, „dass die Hinweise der Kläger vor dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes im Juli 2023 erfolgt seien und daher kein Anspruch im Sinne des Gesetzes besteht.“ Deren Anwalt hatte entgegengehalten, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes Meldungen wiederholt und Repressalien fortgesetzt wurden.
Darüber hinaus blieben in der Verhandlung weitere Punkte ungeklärt:
- Welche Meldewege sind geschützt? VW unterhält mehrere interne Meldesysteme. Doch der Schutz nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) könnte davon abhängen, ob der „richtige“ Kanal gewählt wurde.
- Wie eng ist der sachliche Anwendungsbereich? Die Hinweise der Whistleblower betrafen unter anderem massive Gefährdungen der Gesundheit sowie mögliche Verstöße gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und das Aktiengesetz – dennoch stellte das Gericht in Frage, ob diese unter das HinSchG fallen.
- Wird die Absicht der EU-Whistleblowing-Richtlinie erfüllt? Viele Standards zum Umwelt- und Gesundheitsschutz sind (noch) nicht gesetzlich verankert. Das HinSchG schützt bislang nur Meldungen zu bestimmten Rechtsverstößen.
Der Fall zeigt exemplarisch: Whistleblowing bleibt trotz des gesetzlichen Schutzes eine riskante Gratwanderung. Whistleblower-Netzwerk fordert daher eine zügige gesetzliche Nachbesserung im Zuge der anstehenden Evaluation von HinSchG und EU-Whistleblowing-Richtlinie. Ziel muss ein umfassender Schutz auch für Hinweise auf Gefährdungen und ethische Missstände sein – unabhängig vom gewählten Meldekanal.
Annegret Falter hat die Verhandlung in Braunschweig beobachtet.
Kontakt:
WBN – Whistleblower-Netzwerk e.V.
Annegret Falter, Vorsitz
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