Im Vermittlungsausschuss droht die Aushöhlung des Hinweisgeberschutzgesetzes

Deutschland droht eine Vertragsverletzungsstrafe von über 17 Millionen Euro wegen nicht-fristgerechter Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie (17.12.2021). Mit jedem Tag Verzögerung steigt die Summe um mehr als 60.000 Euro, wenn im Vermittlungsausschuss am 9. Mai nicht endlich eine Einigung auf ein Hinweisgeberschutzgesetz erzielt wird.

Viel Geld, aber wenig im Vergleich zum Schaden, den der fehlende Whistleblowerschutz verursacht. Whistleblower weisen auf Missstände und Fehlentwicklungen hin und ermöglichen so frühzeitig Abhilfe. Der Preis, den sie dafür zahlen ist hoch. Meist sind sie schwerwiegenden Repressalien ausgesetzt. Nachvollziehbarerweise schreckt dies potenzielle Whistleblower ab. Die zügige Verabschiedung eines Hinweisgeberschutzgesetzes wäre daher im Interesse von Gesellschaft, Wirtschaft und Whistleblowern. Dafür bedarf es der Zustimmung von CDU/CSU im Bundesrat, zweier Parteien, die umfassende Regelungen zum Whistleblowerschutz bislang blockiert haben:

„Der Gesetzentwurf lässt ohnehin an vielen Stellen zu wünschen übrig. Noch schlimmer als eine weitere Verzögerung bei der Verabschiedung wäre eine Aushöhlung des vorgesehenen Schutzniveaus. Äußerungen von CDU/CSU lassen genau das befürchten“, so der Geschäftsführer von Whistleblower-Netzwerk, Kosmas Zittel.

Kritisiert wurde unter anderem:

  • die Gleichrangigkeit von internem und externem Whistleblowing. Studien und Erfahrungen belegen, dass sich Whistleblower an eine interne Stelle wenden, sofern sie Vertrauen in die Verantwortlichen haben – weil sie eben keine Schädigungsabsicht gegenüber ihrem Arbeitgeber hegen. Der europäische Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, es dem Whistleblower zu überlassen, ob er sich an eine interne Stelle seines Arbeitgebers oder an eine staatliche wendet. Dies schafft einen Anreiz für gutaufgestellte interne Hinweisgebesysteme und eine whistleblower-freundliche Organisationskultur.
  • die Pflicht zur Einrichtung anonymer Hinweisgeberkanäle für Unternehmen und Behörden. Anonyme Meldekanäle ermöglichen es Whistleblowern, Vertrauen zur Anlaufstelle aufzubauen, bevor sie ihre Identität preisgeben, und ermutigen sie so zu Meldungen. Systematische Befragungen von Unternehmen zeigen, dass die Einführung anonymer Hinweisgeberkanäle kein Denunziantentum fördert. Der Nutzen anonymer Hinweisgeberkanäle überwiegt die (überschaubaren) Kosten daher bei weitem.
  • die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs auf alle Straftatbestände und bestimmte Ordnungswidrigkeiten. Eine Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs auf möglichst wenige Rechtsbereiche würde zu deutlich mehr statt zu weniger Aufwand für Unternehmen und Behörden führen, wie Compliance-Experten bestätigen. Nach Eingang einer Meldung müsste jedes Mal geprüft werden, ob der Verstoß in den Anwendungsbereich fällt oder nicht. Eine Abgrenzung, die bereits erfahrenen Jurist*innen in vielen Fällen schwer fällt. Für juristische Laien und damit die meisten Whistleblower ist sie fast unmöglich. Dies führt zu Rechtsunsicherheit und schreckt Whistleblower ab.

Statt den im Gesetzentwurf vorgesehenen Whistleblowerschutz zu verwässern, sollten im Vermittlungsausschuss die zahlreichen Mängel behoben werden. Whistleblower-Netzwerk (WBN) plädiert u.a. dafür, den sachlichen Anwendungsbereich auf erhebliches Fehlverhalten oder Missstände unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße auszuweiten. Schließlich weisen Whistleblower oft auf Regelungs- und Kontrolllücken hin. Zudem ließe sich durch weniger restriktive Vorgaben für Whistleblower aus dem Geheimschutzbereich und bei Offenlegungen gegenüber den Medien der Bedeutung von Hinweisgeber*innen für den Journalismus und damit für die Demokratie Rechnung tragen, wie WBN bereits mehrfach erläutert hat.

Weitere Informationen

Kontakt:

Whistleblower-Netzwerk e.V. (WBN)
Kosmas Zittel, Geschäftsführer
zittel@whistleblower-net.de
Tel: +49 176 84915150

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