Kein halbes Jahr nach der ersten fand heute die zweite Öffentliche Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses zum Hinweisgeberschutz und zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie statt. Eigentlich genug Zeit, die bei und im Nachgang der ersten Öffentlichen Anhörung gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um in den neuen Gesetzesentwürfen die Mängel der damaligen zu beheben. Stattdessen wurde aber lediglich nach einer Lösung gesucht, den Bundesrat zu umgehen, nachdem das Gesetz dort Anfang Februar blockiert worden war.
Bereits in der ersten Anhörung wurde von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft deutlich kritisiert, dass Verschlusssachen weitgehend und Angelegenheiten der nationalen Sicherheit vollständig aus dem Schutzbereich des Gesetzes ausgenommen werden sollen. Die vorgesehene Regelung schafft einen zusätzlichen Anreiz insbesondere illegale, illegitime oder strittige Dinge durch die Einstufung als Verschlusssache gegen Whistleblowing zu „immunisieren“. In Ermangelung klarer Vorgaben und unabhängiger Kontrollen werden bereits jetzt übermäßig viele Informationen zu Verschlusssachen deklariert und damit der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle entzogen. Einem deutschem Edward Snowden würde auch in Deutschland Verfolgung drohen.
Die Vorgaben für Offenlegungen sind ebenfalls nach wie vor viel zu restriktiv und sehen nur in eng definierten Ausnahmefällen Schutz vor, u.a. bei einer „unmittelbare[n] oder offenkundige[n] Gefährdung des öffentlichen Interesses“ (§ 32 HinSchG-E). Dabei hatte erst Mitte Februar der Europäische Menschengerichtshof in seiner Entscheidung im Fall des LuxLeaks Whistleblowers Raphael Halët das erhebliche öffentliche Interesse an der Offenlegung von derartigen Informationen betont.
„Whistleblower müssen sich ohne Angst vor Repressalien an die Presse wenden dürfen, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Andernfalls kann die vierte Gewalt, ihre Kontrollfunktion nicht ausüben“, kritisierte Kosmas Zittel, Geschäftsführer von Whistleblower-Netzwerk und Sachverständiger in der zweiten Öffentlichen Anhörung (27.03.2023) des Bundestags-Rechtsausschusses.
Auch nach der erneuten Expertenanhörung vor dem Bundestags-Rechtausschuss am 27.03.2023 ist keine Änderung der Gesetzesentwürfe mehr zu erwarten, da die Verabschiedung durch den Bundestag bereits für den 30.03.2023, also drei Tagen danach, angesetzt wurde. Lediglich der zweite Gesetzentwurf bedarf der Zustimmung durch den Bundesrat.
„Damit wird die Anhörung von Sachverständigen und Interessenvertretern endgültig in Symbolpolitik verkehrt“, so Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk und Sachverständige in der ersten Öffentlichen Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses. „Wo aber, wenn nicht bei einem Whistleblowerschutzgesetz, wäre eine echte Beteilung der Zivilgesellschaft wichtig gewesen?“
Weitere Informationen
- WBN-Stellungnahme für die zweite Öffentliche-Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses (27.03.2023)
- Videoaufnahme der zweiten Öffentlichen Anhörung
- WBN-Pressemitteilung zur ersten Lesung des Bundestags (15.03.2023)
- Gesetzesentwürfe der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (14.03.2023)
- EGMR: Recht von Whistleblowern auf Offenlegung von Informationen im LuxLeaks-Fall Halet gestärkt (Video der Veranstaltung vom 21.3.2023)
- WBN-Pressemitteilung zur EGMR-Entscheidung im Fall Halet gegen Luxemburg (14.02.2023)
- Pressemitteilung zur ersten Öffentlichen Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses (19.10.2022)
- Videoaufnahme der ersten Öffentlichen Anhörung (19.10.2022)
- Podcast-Interviews zum Regierungsentwurf
Kontakt:
Whistleblower-Netzwerk e.V. (WBN)
Kosmas Zittel, Geschäftsführer
zittel@whistleblower-net.de
Tel: +49 176 84915150