Hinweis: Die Ausstellung der Veranstaltung kann noch bis zum 21. Mai an den Fenstern des Berliner Bildungswerks der Heinrich-Böll-Stiftung besichtigt werden (Sebastianstraße 21, 10179 Berlin).
Letzten Donnerstag (22. April 2021) fand unsere Veranstaltung mit dem Berliner Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung statt, in der wir nach einer Ausstellungsbesichtigung den Whistleblower Karsten vom Bruch als Gast begrüßen durften. Die große Zahl der Teilnehmer und die rege Beteiligung freut uns weiterhin sehr!
Die für diesen Anlass entworfene Online-Ausstellung, die an die Wanderausstellung „Licht ins Dunkel bringen“ des Whistleblower-Netzwerkes angelehnt ist, zeigte die Vielfältigkeit des Themas und die drängende Notwendigkeit eines besseren Whistleblower-Schutzes auf. Diese Erkenntnis bestätigte sich auch im Gespräch mit Karsten vom Bruch, der als Ingenieur bei Bosch intern auf Abgaseinrichtungen aufmerksam machte.
Vom Bruch nannte sein Interesse am Umweltschutz als leitendes Motiv, sich über Jahre hinweg innerhalb seiner Arbeitsstelle beharrlich gegen die Manipulationen einzusetzen. Er berichtete, dass ihn viele Kolleg*innen als Betriebsratsmitglied wertgeschätzt hätten, die ebenfalls die Arbeitskultur des stillen Gehorsams aufbrechen wollen, jedoch Repressalien fürchten – zurecht. Zeigt uns doch Vom Bruchs Geschichte, welche negativen Folgen entstehen können: Der eigene Betriebsrat nimmt eine wenig rühmliche Rolle in vom Bruchs fragwürdig verlaufenen Kündigungen ein und im Nachhinein ist er, wie viele Whistleblower, mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Der Abgasskandal hat Unternehmen wie VW viele Milliarden Euro gekostet – doch die Arbeitsstrukturen und die Bereitschaft zur Manipulation dürften geblieben sein. Vom Bruch schildert seine Rechtsprozesse sowie die vorgenommenen internen Meldungen auf seiner LinkedIn-Seite und er berät nun Unternehmen und Organisationen, um einen Wandel der Arbeitskultur weiterhin vorantreiben zu können.
Whistleblower-Fond als pragmatische Übergangslösung
Unser Gespräch zeigte am Ende einige interessante Perspektiven auf: Neben einem besseren rechtlichen Rahmen für Whistleblowing brauchen wir pragmatische Übergangslösungen, die Whistleblowern einen Puffer für ihre Zeit nach der Aufdeckung bieten können. Im Gespräch mit dem Publikum entstand ein Vorschlag, der die amerikanische und die vielfach diskutierte Fond-Lösung kombinierte:
Wenn gegen die Verursacher*innen eines Missstands eine Strafzahlung verhängt wird, fließt dieses Geld in einen Whistleblower-Fond. Dieser kann zur Überbrückung übermäßiger Härten, zur Sensibilisierung der Gesellschaft durch Bildungsmaßnahmen und zur Bildung von Netzwerken, die Whistleblower z.B. mit einem neuen Job unterstützen (die aus diesem Fond direkt finanziert werden) eingesetzt werden. Ebenfalls einen Whistleblower-Fond fordern die Organisationen Transparency International, die Gesellschaft für Freiheitsrechte und Whistleblower-Netzwerk auch in ihrer aktuellen Pressemitteilung zur Nicht-Umsetzung der EU-Richtlinie zum Whistleblowerschutz in dieser Legislaturperiode.
Auch der beste Rechtsschutz wird nicht verhindern, dass Arbeitgeber*innen ehemaligen Whistleblowern weiterhin kritisch gegenüberstehen. Umso wichtiger sind daher weitere Lösungen, die an den praktischen Erfahrungen der Hinweisgeber*innen ansetzen, um sie zu unterstützen und auch weitere Menschen endlich ermutigen können, sich gegen ausweglos erscheinende Missstände zu wehren. Veranstaltungen wie diese lassen auf positive Perspektiven hoffen.
Doch auch jeder selbst kann bereits jetzt dazu beitragen, Whistleblowing auf der Arbeit zum Thema zu machen und besser zu schützen. Es können Sensibilisierungen über die eigene Hinweisgeber*innenkultur, über mögliche Meldewege und den eigenen rechtlichen Schutz eingefordert und vorab Hinweis-Richtlinien erarbeitet werden. Wenn bereits Missstände bestehen, stellen auch Personal- und Betriebsräte wichtige Ansprechstellen dar sowie anonyme Beratungsangebote wie von Whistleblower-Netzwerk, um sich als Hinweisgeber*in möglichst sicher an die richtigen Stellen wenden zu können.