Am 12. Mai 2015 veröffentlicht Wikileaks einen Teil der Protokolle der öffentlichen Sitzungen des NSA-Untersuchungsausschusses. Sie umfassen öffentliche Protokolle (und geringe Anteile offenbar wenig relevanter nicht-öffentlicher Teile) bis zur 37. Sitzung – der Ausschuss ist zu diesem Zeitpunkt bei der 47. Sitzung angekommen.
Was fehlt?
Es fehlen die „nicht-öffentlichen“ Sitzungsprotokolle in denen die Zeugen über geheime und streng geheime Aspekte aussagen konnten. Nachdem in der öffentlichen Sitzung am 07.05.2015 ein Zeuge zum zweiten Mal öffentlich aussagen musste und auch Teile seiner ersten Aussage relativierte („In der ersten Sitzung hab ich das anders geschildert – das können sie jetzt gegen mich verwenden oder auch nicht.“) dürfte der Wahrheitsgehalt einer öffentlich getätigten Aussage der Geheimdienstmitarbeiter zweifelhaft bleiben.
Es mag sich nicht prinzipiell um Lügen oder eindeutige Falschaussagen handeln, doch mit der Einschränkung der Aussagegenehmigung, teils konsequentem Verweis auf die nicht-öffentlichen Sitzung oder – so auch Andeutungen durch Hans-Christian Ströbele – Abweichungen, der öffentlichen und geheimen Aussageteile bleibt die Einordnung der enthaltenen Informationen schwierig.
Was ist nun möglich?
In den kommenden Tagen wird es interessant zu sehen, wie diese Leaks vom Kanzleramt und auch vom NSA-Untersuchungsausschussgremium genutzt werden.
Nachdem aus Reihen der CDU/CSU in der aktuellen Stunde am 06.05.2015 der Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums André Hahn (Linke) offen beschuldigt wurde, eine Schwachstelle zu sein, die Informationen durchstechen würde, sind die Leaks nun ein gefundenes Fressen für die Regierungspartei.
Die Opposition hingegen kann nun sehr gut belegen, wie die Fragetechniken der CDU im Ausschuss aussehen. Einzelne Parlamentarier sind nun im Wortlaut nachzulesen und sagen dabei noch mehr über ihren Aufklärungswillen aus, als das aus den bisherigen Protokollen von Netzpolitik.org hervorgeht.
Es bleibt abzuwarten, ob seitens der Bundestagsverwaltung spezielle Kennzeichnungen der Protokolle stattgefunden haben. Denkbar sind Zahlen- und Buchstabendreher, die jeweils nur bestimmten Mitgliedern des Ausschusses zugänglich gemacht wurden und die nun verwendet werden könnten, um die Übermittlung der Dokumente strafrechtlich oder disziplinar zu ahnden.
Da sich die Untersuchung des BND-Themenkomplexes nur noch bis zur Sommerpause hinziehen wird – es bleiben nach aktueller Planung 4 Sitzungen – dürfte sich der Nutzen für die kurzfristig einberufenen BND-Zeugen sehr in Grenzen halten, ihre Aussage auf bereits veröffentlichte Aussagen abzustimmen. Der Druck durch zusätzliche Medienveröffentlichungen macht eine Vor-Planung der Aussage ohnehin obsolet.
Zur Seite von Wikileaks: deutsch / englisch
Aktuelle Berichterstattung:
Golem.de, „Wikileaks veröffentlicht Protokolle des NSA-Ausschusses“, Friedhelm Greis
ZEIT Online, „Wikileaks veröffentlicht Protokolle des NSA-Ausschusses“, Kai Biermann & Patrick Beuth
Tagesspiegel.de, „Wikileaks veröffentlicht Protokolle der Sitzungen“, Anna Sauerbrey