Peter Bowden, ehemals Professor für Verwaltungswissenschaften in Manchester und nun Philosophie-Dozent in Sydney beschäftigt sich seit langem wissenschaftlich mit Organisationsethik, hat sich aber auch selbst schon als Whistleblower betätigt. Eine spannende Kombination, die zugleich hohe Erwartungen an sein Buch über den Schutz von Whistleblowern und jenen, die im öffentlichen Interesse auf Missstände hinweisen, weckt. Vielleicht zu hohe Erwartungen, denen das doch recht schmale Büchlein mit seinen 115 Seiten letztlich nicht gerecht wird. Dennoch bietet es jenen, die sich einen ersten Einblick in die Thematik verschaffen wollen, einen recht guten Überblick vor allem hinsichtlich der (auch rechtlichen) Situation von Whistleblowern in den USA, in Großbritannien und in Australien. Es enthält darüber hinaus einige Schilderungen von Whistleblowerfällen aus jenen Ländern.
Ein grundsätzlicheres Kapitel widmet Bowden der Frage, warum es zu Whistleblowing kommt und warum Whistleblower dennoch im übertragenen Sinne gekreuzigt werden. Bowden verfolgt dabei einen evolutionären Ansatz zur Erklärung von Moral und verweist u.a. auf eine interessante Besprechung des Buches „Moral Origins“ von C. Boehm durch D. Krebs, die auch online verfügbar ist. Krebs setzt sich darin u.a. mit der Rolle sozialer Kontrolle und von Klatsch für die Moralentwicklung frühen Jäger und Sammler Kulturen auseinander. Die sich daraus ergebende Frage, ob die demnach für Moralentwicklung nötige hohe Transparenz und Diskursivität solcher Kulturen in modernen, großen, hochkomplexen, Private- und Geschäftsgeheimnisse rechtlich schützenden und somit tendenziell wesentlich intransparenteren Gesellschaften zurückgegangen ist und Whistleblowing insoweit einen essentiellen Korrekturmechanismus darstellen könnte, stellt Bowden jedoch nicht. Stattdessen verweist er lediglich auf einen Konflikt zwischen In- und Outgroups als Ursache für Repressalien gegen Whistleblower.
Bei der Beantwortung der Frage, wie sich Whistlelbower verhalten und selbst schützen sollten, greift Bowden zurück auf Empfehlungen von Government Accountability Project und B. Martin und schlägt sodann einen 10-Stufen Prozess mit folgenden Schritten vor:
1. Informieren Sie sich über die Rechtslage und holen Sie sich Rat von einer Organisation vor Ort die Whistleblower unterstützt.
2. Studieren Sie die Gesetze bzgl. der Fragen was Sie wem mitteilen dürfen und wann Sie geschützt sind.
3. Prüfen Sie, ob andere in Ihrer Organisation bereit wären Sie und Ihre Beweise zu unterstützen.
4. Klären Sie mit Ihrer Familie und Ihren Freunden, ob diese bereit sind Sie zu unterstützen.
5. Sammeln Sie Beweise um Ihre Meldung zu untermauern und diejenigen, die die Meldung untersuchen zu überzeugen.
6. Sprechen Sie mit Whistleblower-Gruppen, der Gewerkschaft oder anderen möglichen Unterstützern.
7. Versuchen Sie kleinere Probleme intern ohne Konfrontation zu lösen. Bei größeren Missständen, die Sie außerhalb ihrer Organisation ansprechen, verlangen Sie eine vertrauliche Behandlung.
8. Seien Sie auf mögliche Repressalien und Mobbing eingestellt, dokumentieren Sie dies genau und nutzen Sie rechtliche Möglichkeiten dagegen vorzugehen – aber kümmern Sie sich auch frühzeitig darum evtl. einen neuen Job als Alternative zu haben.
9. Wenn Sie rechtlich gegen Repressalien vorgehen, sollten Sie stets auch deren Verbindung zu dem von ihnen aufgedeckten Missstand deutlich machen.
10. Falls Sie scheitern und der Missstand vertuscht wird versuchen Sie zu vermeiden, dass das Gefühl der Ungerechtigkeit Ihr Leben dominiert. Vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie einen persönlichen moralischen Sieg errungen haben, indem Sie den Missstand aufgezeigt haben. Versuchen Sie, soweit wie möglich, sich einen neuen Job und ein neues Leben aufzubauen.
Vieles davon findet sich auch in unseren Tipps für Betroffene hier und hier, wobei in Deutschland die Situation für Whistleblower mangels klarer gesetzlicher Regelungen eher noch schwieriger sein dürfte, als in jenen Ländern auf welche Bowden sich zumeist bezieht.
Bowden, Peter: In the Public Interest — Protecting Whistleblowers and Those Who Speak Out; ISBN: 978-0-7346-1186-4; 2014.