Die nächste Runde steht an. Auch in dieser Legislaturperiode beschäftigt sich der Bundestag wieder mit dem fehlenden gesetzlichen Whistleblowerschutz. Am Freitag, dem 7.11.2014 findet hierzu ab ca. 11:05 Uhr eine Plenardebatte statt, die live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen wird. Anlass sind zwei Anträge der Oppositionsfraktionen:
Bündnis 90/Die Grünen haben einen konkreten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz – BT Drs. 18/3039) vorgelegt. Darin schlagen sie, in Anknüpfung an ihren Vorschlag aus der letzten Legislaturperiode, Schutzregelungen für Whistleblower im Individualarbeitsrecht und im Beamtenrecht vor. Neu insoweit ist die Normierung von internen Anzeigepflichten für Beamte.
Wollen Beamte oder Arbeitnehmer sich jenseits ihrer Arbeitsstelle an zuständige Behörden wenden, so müssen sie nach dem Vorschlag der Grünen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So muss entweder ein vorheriges internes Bemühen um Abhilfe gescheitert sein oder es muss um erhebliche Straftaten oder gegenwärtige Gefahren für wichtige Rechtsgüter wie z.B. Gesundheit und Umwelt gehen. In Ausnahmefällen wollen die Grünen auch den Weg in die Öffentlichkeit erlauben, allerdings nur bei gegenwärtigen erheblichen Gefahren und erheblichem öffentlichen Interesse. Erstmals legen die Grünen jetzt aber auch Vorschläge zur Änderung des Strafgesetzbuches vor, mit denen Whistleblowing entkriminalisiert werden soll. Sowohl bei Staatsgeheimnissen als auch bei Dienstgeheimnissen könnte die Offenbarung demnach zukünftig straffrei erfolgen, wenn „der Täter zur Aufklärung, Verhinderung oder Beendigung einer Grundrechtsverletzung oder schweren sonstigen Rechtsverletzung oder der Begehung einer schweren Straftat handelt, rechtzeitige Abhilfe nicht zu erwarten ist und das öffentliche Interesse an der Weitergabe der Information das Geheimhaltungsinteresse erheblich überwiegt“. Bundestagsabgeordnete sollen nach dem Willen der Grünen darüber hinaus die Möglichkeit bekommen, unter besonderen Voraussetzungen im Parlament auf Verstöße gegen die verfassungsgemäße Ordnung des Bundes oder eines Landes hinzuweisen, ohne dass sie dafür wegen einer Verletzung eines Staatsgeheimnisses verfolgt werden können.
Parallel hat die Fraktion Die Linke einen Antrag eingebracht mit dem Titel „Gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anerkennen – Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schützen“ (BT-Drs. 18/3034). Auch dieser nimmt viele Formulierungen eines entsprechenden Antrages aus der vergangenen Legislaturperiode wieder auf und ergänzt diese ebenfalls um Lehren aus dem Fall Edward Snowden. Letzteres z.B. hinsichtlich der strafrechtlichen Regelung bzw. Freistellung von Whistleblowing und der Forderung nach einer EU-weiten Anerkennung von Whistleblowing als Asylgrund. Die Vorschläge der Linksfraktion sind dabei insgesamt weitergehender als jene der Grünen. Gefordert wird ein umfassenderer Schutz für Whistleblower auch jenseits von arbeits- und beamtenrechtlichen Zusammenhängen, ebenso wie eine Politik zur aktiven Förderung von Whistleblowing und des hierfür nötigen Kulturwandels. Nachteil des Antrages der Linksfraktion ist jedoch, dass dieser keine konkreten Gesetzesformulierungen sondern vielmehr politische Zielvorgaben enthält. Gefüllt werden könnte diese Lücke z.B. durch Rückgriff auf die vom Whistleblower-Netzwerk in 2011 und 2014 vorgelegten Gesetzesvorschläge.
Whistleblower-Netzwerk begrüßt beide Vorschläge als wertvolle Beiträge um den Druck auf die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien zu erhöhen. Die Bundesregierung ist nunmehr gefordert sich klar zu positionieren. Auf die im Koaltionsvertrag vorhandene Formulierung „Beim Hinweisgeberschutz prüfen wir, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind“ kann es im Jahre 2014 angesichts verschiedener Studien, Urteile und internationaler Vorgaben von EU, Europarat, G20 und UNCAC nur eine sinnvolle politische Antwort geben: „Nein, die internationalen Vorgaben sind nicht hinreichend umgesetzt und deshalb wird Deutschland jetzt nachziehen und endlich einen internationaler best-practice entsprechenden gesetzlichen Whistleblowerschutz einführen“. Zumindest die SPD hatte hierzu in der letzten Legislaturperiode auch schon durchaus brauchbare Vorschläge gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass sie ihren Koalitionspartner zumindest davon überzeugen kann.