Was folgt ist der persönliche Eindruck eines Whistleblowers nach dem Besuch des Verhandlungstermins von Andrea Fuchs vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt am 19.11.2012, in dem, wegen der durch ihren Arbeitgeber eingelegten Berufung, erneut über ihre 19. Kündigung verhandelt wurde:
“Jemand der weit über 25 Verfahren gegen seinen Ex-Arbeitgeber anstrengt, der bereits 5 Jahre Lohnfortzahlungen und Boni erhalten hat, ohne dafür auch nur einen einzigen Tag gearbeitet zu haben, solchen Prozesshanseln kann man doch nicht noch Recht geben und seinen Ansprüchen für weitere 4 Jahre stattgeben.” Dies ist ein Satz der mir in den Kopf kommt, wenn ich darüber nachdenke, was in der Verhandlung von Andrea Fuchs am 19.11.2012 passiert ist. Nein, dieser Satz fiel nicht, nirgendwo, aber irgendwie schien er doch im Raum zu stehen, oder besser als Damoklesschwert über Frau Fuchs zu hängen, an einem dünnen Faden, ihm gegenüber der Richter mit der Schere, der nur darauf wartet diesen durchzuschneiden.
Nein, um die Insidergeschäfte, die Frau Fuchs damals angezeigt hatte ging es nicht. Auch nicht darum, ob die anderen Vorwürfe in ihrem Buch “Die Judasbank” wahr oder unzutreffend sind. Gestritten wurde nur um Formalien. Wenn ein Betriebsrat erklärt, er will “die gesetzliche Anhörungsfrist verstreichen lassen” und das Unternehmen dann ohne das Fristende zu beachten kündigt, ist dies rechtmäßig? Auch dann, wenn gar nicht mehr feststeht, was der Betriebsratsvorsitzende insoweit wann genau, wem mitgeteilt hatte und wenn völlig unklar ist, warum ein Schreiben, dass diese Erklärung scheinbar bestätigt, zwei Tage nach Fristablauf datiert aber erst über vier Jahre später, genau zu dem Zeitpunkt auftaucht, als ein anderer Prozess abgeschlossen ist, für welchen es hinderlich gewesen wäre. Nach diesen Merkwürdigkeiten fragt der Richter nicht.
Stattdessen macht er gleich deutlich, dass er der Meinung der Vorinstanz, die noch davon ausgegangen war, dass die positive Zustimmung des Betriebsrats vor Fristablauf nicht bewiesen sei, nicht teile. Es gäbe da ein Urteil des hessischen LAG aus 1997 welches belege, dass der Betriebsrat nicht über die Frist verfügen könne und demnach brauche er nicht positiv zuzustimmen, es reiche, wenn er erkläre nichts tun zu wollen. Dass andere Gerichte, ja sogar das LAG Hessen dies zwischenzeitlich auch anders sahen, darauf geht der Richter nicht ein.
Stattdessen fragt er die Parteien nach Vergleichsmöglichkeiten, gibt aber gleich vor, dass dann eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum hier streitigen Kündigungszeitpunkt erfolgen müsse. Letzteres zu entscheiden liegt eigentlich in der Hoheit der Parteien, aber das scheint unseren Richter wenig zu stören. Stattdessen legt er es anscheinend darauf an, das Gehalt herausbekommen, dass die Bänkerin damals erhielt, wohl um damit bei den Schöffen Stimmung gegen die Bankerin machen zu können. Für die rechtliche Würdigung und den Prozessausgang sollte dies eigentlich völlig egal sein und dass die Parteien sich nicht vergleichen würden, war, mangels Angebot der Arbeitgeberseite, ohnehin klar.
Dann geht es weiter und der Anwalt von Frau Fuchs versucht das Gericht zu überzeugen, dass die Betriebsratsanhörung auch noch unter anderen Gesichtspunkten fehlerhaft war. Immerhin hatte der Betrieb den Betriebsrat nicht davon informiert, dass Frau Fuchs zum Zeitpunkt der Kündigung bereits rechtskräftig gekündigt war. Aber bevor er überhaupt der Gegenseite das Wort erteilte, hatte der Richter auch hierauf schon eine Erwiderung parat. Ist ein Arbeitsgerichtsverfahren nicht eigentlich ein Parteiverfahren, bei welchem zunächst die Parteien ihre Meinung vertreten und erläutern sollten. Wäre hier nicht deutlich mehr Zurückhaltung des Richters geboten?
Auch dass er sich damit brüstet der Fall der Frau Fuchs sei ja gerichtsbekannt und er habe hierüber mit anderen Richtern bereits gesprochen und dass er es ablehnt seine eventuell fehlende Zuständigkeit überhaupt zu diskutieren und ausführt, diese Frage sei jedenfalls mit der jetzigen Terminierung erledigt wirkt wenig souverän.
Der Gipfel der Merkwürdigkeiten wird erreicht, als der Rechtsanwalt von Frau Fuchs sich auf ein Vorbringen aus seinem Schriftsatz hinsichtlich einer Bindungswirkung der freien Beweiswürdigung der Vorinstanz für das Berufungsgericht beruft. Noch bevor der Anwalt seine Ausführungen beenden kann, fährt ihm der Richter ins Wort. Diese und auch die diesbezüglichen schriftsätzlichen Behauptungen des Anwalts grenzten an eine “bewusste Irreführung” des Gerichts. Dies alles gelte nur für Revisions- und nicht für Berufungsverfahren. Hoppla, was geht denn hier ab? Mag ja sein, dass der Richter die Argumentation des Anwalts nicht teilt, aber eine Argumentation in einer Rechtsfrage, die mit einem Rechtsprechungsnachweis belegt wurde, kann doch wohl kaum eine bewusste Irreführung sein. Es geht hier doch nicht um Fakten des Sachverhalts und jedermann kann doch selbst nachlesen, ob das Zitat richtig oder falsch ist und sich dann eine Meinung dazu bilden. Nach der Verhandlung kann mir der Anwalt von Frau Fuchs sogar eine Stelle in einem renommierten Arbeitsrechtshandbuch nennen, wo genau dies so steht. In der Verhandlung selbst bleibt das Vorgehen des Richters jedoch nicht ohne Wirkung. Der Anwalt von Frau Fuchs ist schockiert und der Anwalt der Gegenseite braucht dem Richter, der auch in diesem Punkt hier seinen Job quasi miterledigt hat nur noch grinsend beizupflichten.
Vergegenwärtigt man sich bei all dem noch die, bereits in der Terminsankündigung angesprochene Vorgeschichte (der gleiche Richter hatte die Klage von Frau Fuchs auf Bonus abgelehnt, weil sie eine Strafanzeige gegen ihren Vorgesetzten gestellt hatte und sich dabei auf ein Urteil bezogen, dass bereits aufgehoben worden war, weil inzwischen festgestellt worden war, dass Frau Fuchs die Wahrheit sagte, was genau dieser Richter völlig ignorierte), so stellt sich für mich als Prozessbeobachter in der Gesamtschau die Frage: Ist dieser Richter noch in der Lage dieses Verfahren unparteiisch und ohne Vorbehalte zu führen?
Und da fällt mir dann wieder der Satz ein, mit dem ich diese kurzen Bemerkungen eingeleitet habe. Das Verständnis für Whistleblower, die sich für Recht und Gesetz einsetzen, dafür abgestraft werden, Karriere und Zukunft verlieren und anschließend vor Gerichten als David gegen Goliath lange und zermürbend um ihren Ruf und ihre Existenz kämpfen müssen, scheint jedenfalls einigen Richter hierzulande leider immer noch zu fehlen. Es ist wohl doch einfacher, sich als Teil der ehrenwerten Gesellschaft zu begreifen, als deren Ehrenhaftigkeit ernsthaft zu hinterfragen, egal wie eindeutig die Fakten sind.