Die im Sommer 2011 fertiggestellte juristische Promotion befasst sich neben den im Titel angesprochenen internen Whistleblowersystemen auch mit der Rechtslage von Whistleblowern in den USA und in Deutschland.
Bezüglich letzterem kommt der Autor zum Ergebnis: „Aus der Rechtsprechung lässt sich also für den unentschlossenen Hinweisgeber nicht mit Sicherheit schließen, welche Konsequenzen ihm tatsächlich im konkreten Einzelfall drohen“. Nur wenig später heißt es dann aber, dass die sich festigende Rechtsprechung die maßgeblichen Beurteilungskriterien bereits ausreichend eingegrenzt habe. Der gescheiterte Gesetzesentwurf von drei Bundesministerien zu § 612a BGB ist dem Autor deutlich zu arbeitnehmerfreundlich, „auf Kosten der berechtigten Interessen der Unternehmen“.
Der Schutz jener Interessen, vor allem vor den großen Gefahren externen Whistleblowings ist denn auch der rote Faden, der sich durch die gesammte Arbeit zieht. Der Autor plädiert für die Einrichtung interner Hinweisgebersysteme weil Unternehmen damit im Hinblick auf die Rechtsprechung externes Whistleblowing, selbst wenn dies an Behörden erfolgt, in der Regel als unrechtmäßig erscheinen lassen können.
Was die Whistleblower angeht, verweist Simonet dabei darauf, dass für diese von internem Whistleblowing Nachteile nicht zu erwarten seien, da sie sich durch eine Nutzung des Systems gerade konform mit den vom Arbeitgeber aufgestellten Regeln verhalten. Dies ist angesichts der Erfahrungen aus der Praxis, in der viele Whistleblower auch schon nach lediglich internem Whistleblowing erhebliche Sanktionen ausgesetzt sind, leider recht naiv. Genauso übrigens wie die Einstellung des Autors im Hinblick auf den Schutz von Verdächtigten: „Ob der Verdächtigte durch das Whistleblowing Nachteile zu erwarten hat, orientiert sich am Ermittlungsergebnis. Sofern der Verdacht unbegründet ist, hat dieser keinerlei Nachteile zu erwarten. Bestätigt sich der Verdacht hingegen, so ist er zumindest betreffend beruflicher und wirtschaftlicher Nachteile nicht schutzwürdig. Somit wäre auch in diesem Fall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers zu bejahen.“
Fragt sich dann nur, warum der Autor diese Logik nicht auch auf die Frage der Zulässigkeit von Whistleblowing an Behörden überträgt. Denn hierdurch sollten in einem Rechtsstaat einer betroffenen Organisation noch viel weniger ungerechtfertigte Nachteile drohen. Genau jene setzt Simonet aber ohne weiteres voraus. Er fragt auch nicht danach, was in jenen Situationen geschehen soll, in denen unmoralische oder rechtswidrige Aktivitäten von ganz oben im Unternehmen ausgeführt oder gedeckt werden. Angesichts der im Buch geschilderten US-Beispiele Enron und Worldcom, aber auch mit Blick auf die Vorkommnisse bei Siemens, VW und anderen ist es aber gerade jene Frage, die für die Glaubwürdigkeit interner Hinweisgebersysteme von entscheidender Bedeutung ist. Hier gibt es öffentliche Interessen, die jenen der Unternehmensführungen untergeordnet werden müssen. Demgegenüber plädiert der Autor selbst nach der Heinisch-Entscheidung des EGMR noch dafür öffentliche Interessen bei der Entscheidung über die arbeitsrechtliche Zulässigkeit von Whistleblowing außer acht zu lassen.
Zudem bleibt die Arbeit auch in ihrem eigentlichen Kernbereich, der Ausgestaltung interner Hinweisgebersysteme, an der Oberfläche. Die Bedeutung der Information von Hinweisgebern und anderen Beschäftigten über die praktischen Ergebnisse des Betriebs jener Systeme bleibt genauso unbeleuchtet, wie die Frage der Kompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat.
Lediglich beim Datenschutz enthält das Buch einige interessante Ausführungen, insbesondere bezüglich der zu recht als widersprüchlich und zu einschränkend kritisierten Stellungnahme der Europäischen Datenschutzbeauftragten aus dem Jahre 2006. Spätestens bei der Beurteilung des Referentenentwurfs zum Beschäftigtendatenschutz zeigt sich aber wieder die überzogene Unternehmerfreundlichkeit des Autors, der hier nahezu jede Einschränkung als zu weitgehend brandmarkt.
Simonet, Michael: Die Implementierung interner Whistleblowingsysteme im Rahmen der Corporate Compliance; ISBN: 978-3-8325-3076-1; 2012