Whistleblower, also Menschen mit Insiderwissen, die Zivilcourage zeigen und auf Missstände am Arbeitsplatz hinweisen, sind in Deutschland unzureichend gegen Repressalien geschützt. Anlässlich einer für den 05.03.2012 angesetzten öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages fordert Whistleblower-Netzwerk e.V. die Bundesregierung auf, die Schaffung eines Whistleblowing-Gesetzes nicht länger zu blockieren. Deutschland hatte sich bereits 2010 in einer Erklärung der G20-Staaten politisch verpflichtet den Whistleblowerschutz entsprechend internationaler Standards auszugestalten. Bisher nehmen sich aber nur die Oppositionsparteien des Themas an.
2008 war eine Gesetzesinitiative der großen Koalition am Widerstand der Wirtschaft gescheitert. Im Mai 2011 hat die Linksfraktion Kriterien für eine gesetzliche Regelung vorgelegt. Bündnis90/Die Grünen und SPD haben eigene Gesetzesentwürfe erarbeitet. Die Bundesregierung hat zwar im September angekündigt, die Vorschläge der G20-Staaten berücksichtigen zu wollen, bis jetzt scheinen die Koalitionsfraktionen aber keinen Handlungsbedarf zu sehen.
OECD und G20 haben in einer aktuellen Studie klar die Defizite beim Whistleblowerschutz benannt. Die Rechtsprechung in Deutschland bietet keinen hinreichenden Schutz und wirkt abschreckend auf mögliche Whistleblower. Bei Missständen wird daher häufig weggeschaut und geschwiegen. Wer, wie die Altenpflegerin Brigitte Heinisch, dennoch nicht schweigt, wird mit nachträglicher Billigung der Justiz gekündigt. Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellte daraufhin 2011 fest: Deutschland verstößt gegen das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit.
Prof. Johannes Ludwig, stellvertretender Vorsitzender des Netzwerkes und Betreiber des Dokumentationszentrums AnsTageslicht.de, weist noch auf einen anderen wichtigen Aspekt hin: „Wenn die Bundesregierung bei ihrer Verweigerungshaltung bleibt, werden wir auch in Zukunft von Missständen erst erfahren, nachdem sie zu großen Schäden für Menschen und Umwelt geführt haben. Die Chance der Nutzung von Whistleblowing als Frühwarnsystem wird vertan.“
In einer ausführlichen Stellungnahme für den Bundestag hat Guido Strack, der Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerkes, jetzt die vorliegenden Gesetzesentwürfe untersucht und mit internationalen Standards verglichen. Sein Fazit: „Die Entwürfe von Grünen und SPD enthalten gute Ansätze. Allerdings sollte die SPD ihre Vorschläge auch auf Beamte ausweiten. Deren Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit darf nicht zur Vertuschung von Missständen in Behörden führen. Dies ist mit einem zeitgemäßen Verständnis einer transparenten Demokratie nicht vereinbar.“