Die juristische Promotion von Rut Groneberg bietet was der Untertitel verspricht: „Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen, englischen und deutschen Rechts unter besonderer Berücksichtigung des Entwurfs eines neuen § 612a BGB“.
Obwohl erst im Nobember 2011 erschienen, ist die Arbeit im wesentlichen auf dem Stand der Promotionsabgabe im WS 2009/2010. Die neusten Entwicklungen in den USA (Dodd-Frank-Act), auf der Ebene des Europarates (PACE-Entschließung und EGMR Urteil), bei den G20 (Seoul und follow-up), die Empfehlungen von Transparency International oder auch unser Vorschlag für einen Gesetzesentwurf haben daher keine Berücksichtigung mehr finden können. Dennoch kann die Arbeit, die nach dem Heinisch Urteil des EGMR neu in Gang gekommene Diskussion um die Ausgestaltung eines gesetzlichen Whistleblowerschutzes sicherlich befruchten.
Groneberg erschließt die Materie anhand vorangestellter Kapitel zur Klärung des Begriffs Whistleblowing, zur Herausarbeitung der unterschiedlichen Interessen sowie zu den Whistleblowingregelungen in Internationalen Organisationen und Vereineinbarungen.
Daran schließt sich der Rechtsvergleich zwischen USA und England an, dem zwei Kapitel, diesmal zur Darstellung des arbeitsrechtlichen Umfeldes und zur Entwickung des Whistleblowingrechts in den jeweiligen Ländern vorangestellt sind. Der eigentliche Vergleich erfolgt sodann anhand der Kriterien: persönlicher und sachlicher Geltungsbereich, Adressaten der Offenlegung und Gutgläubigkeit und Motive, wobei die Verfasserin auch die Fragen im Zusammenhang mit der Rechtsdurchsetzung behandelt. Die Darstellung ist präzise und zeichnet sich dadurch aus, dass neben der Gesetzeslage auch detailliert auf die hierzu sowie zu den relevanten allgemeinen Rechtsprinzipien (Common law, First Amendment, public policy/concern) ergangene Rechtsprechung in den USA und England eingegangen wird.
Schließlich wird der Blick nach Deutschland auf die Ausgangslage – vor allem anhand der bisherigen Rechtsprechung – und auf den, im Jahre 2008 im Bundestag diskutierten, Vorschlag dreier Bundesministerien zur Einführung eines neuen §612a BGB gerichtet. Groneberg fasst ihre Ergebnisse angesichts des „unbefriedigenden“ Schutzes von Whistleblowern in Deutschland schließlich in einem eigenen Gesetzesvorschlag zusammen, der zumindest einige Schwächen des damaligen Vorschlages der großen Koalition und auch des jetzigen Vorschlages der Grünen vermeidet.
Groneberg schlägt dabei, meist in Anlehnung an zuvor dargestellte Vorbilder aus USA oder England, u.a. vor: den persönliche Anwendungsbereich auf arbeitnehmerähnliche und Leiharbeitsverhältnisse auszuweiten, den sachlichen Anwendungsbereich auch auf drohende Rechtsverletzungen zu erstrecken, Gutgläubigkeit ausreichen und die Motivation des Whistleblowers unberücksichtigt zu lassen, sowie die Rechtsdurchsetzungschancen für Whistleblower durch Beweiserleichterungen zu verbessern.
Andererseits will die Autorin, mit der bisherigen BAG-Rechtsprechung und dem damaligen Vorschlag der großen Koalition, aber grundsätzlich an der Pflicht zum vorrangigen internen Whistleblowing festhalten und dem Whistleblower bewusst kein Wahlrecht zwischen dem internen und dem Whistleblowing an Behörden einräumen. Dies obwohl sie zugleich selbst ausführt: „Auch die Beschäftigten werden aus Loyalitätserwägungen oftmals einen internen Hinweis vorziehen. Zudem haben sie regelmäßig ein Eigeninteresse am Erhalt ihres Arbeitsplatzes und damit an der Lebensfähigkeit und Profitabilität des Unternehmens und wollen negative Reaktionen bei den Behörden und in der Öffentlichkeit vermeiden“.
Statt hieraus aber zu schließen, dass, wenn Beschäftigte sich gegen eine interne Meldung entscheiden, hierfür regelmäßig gute, oft allerdings kaum belegbare Gründe vorliegen und ihnen daher ein Wahlrecht zuzubilligen, bleibt auch Groneberg bei dem wegen des angeblich notwendigen Schutzes des Arbeitgebers (vor der Kenntniserlangung durch Behörden !) nötigen Kriterium der, um Regelbeispiel-Ausnahmen (z.B. bei Straftaten des Arbeitgebers ist eine direkte Behördenanzeige zulässig) ergänzten, Zumutbarkeit stehen. Nötig sei, „dass aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers objektive Anhaltspunkte bestehen müssen“ und die Arbeitnehmer hätten auch eine „sorgfältige und gewissenhafte Prüfung im Rahmen ihres Erfahrungshorizonts und ihrer Informationsbeschaffungsmöglichkeiten“ durchzuführen.
Die Verfasserin übersieht dabei jedoch, dass all diese nuancierten juristischen Kritierien letztlich zur Folge haben dürften, dass jenen Menschen, die sich ja in der Situation oft auch schnell und ohne Rechtsberatung zwischen Schweigen und Whistleblowing entscheiden müssen, eben kein eindeutiges Signal zum Melden gegeben wird. Dass sie – wie im Fall der von der Verfasserin leider nicht rezipierten Entscheidung des LAG-Mainz zum ähnlich lautenden § 17 Abs. 2 ArbSchG – nicht vorhersehen können wie ein Richter die Situationund ihre Nachforschungspflichten im Nachhinein beurteilen wird und dann mehrheitlich auch weiterhin lieber schweigen werden.
Schade ist auch, dass die Autorin zu eng am Grundkonzept des § 612a BGB klebt. Sie sieht zwar, dank des Blicks in die USA und England, die öffentlichen Interessen als wichtiges und von der Rechtsprechung deutscher Arbeitsgerichte bisher vernachlässigtes Abwägungskritierum, wenn es um den Schutz von Whistleblowern geht. Sie stellt aber nicht die, zwingend über das Arbeitsrecht hinausgehende Frage, wie gesetzliche Regelungen beschaffen sein müssten um eben jene öffentlichen Interessen durch die Förderung von Whistleblowing besser zur Geltung zu bringen. Dies nicht einmal im Hinblick auf die Übertragbarkeit des AGGs, obwohl im rechtsvergleichenden Teil immer wieder Parallelen zum Anti-Diskriminierungsrecht, das ebene auch proaktive Komponenten umfasst, gezogen werden.
Groneberg, Rut: Whistleblowing — Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen, englischen und deutschen Rechts unter besonderer Berücksichtigung des Entwurfs eines neuen § 612a BGB; ISBN: 978-3-428-13530-1; 2011.