Zivilcourage am Arbeitsplatz?
Gründungsaufruf einer Selbsthilfegruppe in Köln
Was tun bei Missständen? Wegschauen? Weggehen? Ansprechen? Aber wie?
Die Ausgangssituation
Vielleicht kennen Sie das: Sie machen am Arbeitsplatz auf Missstände aufmerksam, die man beheben sollte, zu Dingen, die dem – meist positiven – Selbstbild des Unternehmens nicht entsprechen, wie zum Beispiel:
- der Altenpfleger, der tagtäglich sieht, wie Pflege durch die Rahmenbedingungen in seinem Heimimmer unmenschlicher wird,
- die Bankerin, die mitbekommt wie Kunden regelmäßig unseriöse und unpassende Produkte verkauft werden,
- der Lehrer, welcher einen diskriminierenden Umgang seiner Kollegen mit Schülern mit Migrationshintergrund beobachtet,
- der Verwaltungsangestellte, die mitbekommt wie sich seine Chefin schmieren lässt,
- die Krankenschwester, die weiß, dass der OP-Arzt ein Alkoholproblem hat,
- die Sachbearbeiterin, die beobachtet wie ein Kollege immer öfter etwa saus dem Büro mitgehen lässt,
- der Facharbeiter einer Firma, in der ein sorgloser Umgang mit Arbeitssicherheits- und Umweltauflagen besteht.
Wie darauf reagieren?
Soll ich so tun, als ob nichts war? Mich der Situation durch einen Wechsel der Abteilung, des Arbeitgebers entziehen? Oder lieber doch nachhaken oder jemanden darüber informieren? Aber werwäre überhaupt der richtige Ansprechpartner?
Wie und was sage ich? Trete ich offen auf oder vertraulich oder versuche ich anonym zu bleiben um mich so vor möglichen Reaktionen zu schützen? Ist es vielleicht nicht doch klüger und loyaler, lieber nicht aufzufallen?
Soll ich das Risiko eingehen, von Vorgesetzten oder Kollegen geschnitten zu werden und mit immer öfter unangenehmere Termine und Tätigkeiten wahrnehmen zu müssen als die Kollegen?
Die Gruppe hilft
Für Menschen, die vor solchen Fragen stehen, haben wir eine Selbsthilfegruppe gegründet. Im Austausch mit anderen wollen wir Antworten finden.
- Die Gruppe bietet die Möglichkeit los zu werden, was auf der Seele brennt, vor Zuhörern, die dies auf Grund eigener Erfahrungen nachvollziehen können.
- Die Teilnehmer stellen auch einen Kreativitäts- und Ideenpool dar,aus dem Lösungsansätze für die geeignete Vorgehensweise gewonnen werdenkönnen.
- Es geht um Unterstützung und Solidarität, damit jeder die Möglichkeit hat, seine ‚Batterien’wieder auftanken zu können,die durch den Konfliktherd Arbeitsplatz zerschlissen werden.
- Last but not least: Erfolgsmeldungen bei der Umsetzung von Lösungsstrategien können die ganze Gruppe motivieren, weiter zu machen und den tiefen Sinn ihres Engagements wert zu schätzen.
- Anonymität ist oberstes Gebot! Die Selbsthilfegruppe liefert einen geschützten Raum, auf den sich alle Teilnehmer verlassen können sollen. Namen von Firmen und Kollegen spielen keine Rolle. Über der Tür hängt – symbolisch gesprochen – „die Rose des Schweigens“, ein Symbol aus dem Mittelalter. Nichts, was im geschützten Raum besprochen wurde, darf nach draußen dringen.
- Die Gruppenmitglieder verpflichten sich dazu, sich selbst und den anderenTeilnehmern mitWertschätzung zu begegnen!
- Die Gruppenmitglieder sprechen nicht über den Anderen, sondern nur übersich (Ich-Botschaften). Wir bewerten Andere nicht. Ein bekanntes Sufi-Sprichwort besagt: „Es gibt einen Ort, wo es weder ‚gut’ noch ‚schlecht’, weder ‚richtig’ noch ‚falsch’ gibt: An diesem Ort wollen wir uns treffen.“
- Bei uns sind Sie richtig, wenn Sie z.B. systematisches Mobbing an Dritten beobachten und nicht wissen, wie sie sich demgegenüber verhalten sollen.
Die Gruppenregeln
Zur genaueren Eingrenzung
Richtig sind Sie auch, wenn Sie selbst Opfer von Mobbing wurden, nachdem Sie auf Missstände im Arbeitsumfeld hingewiesen haben.
Wer aus anderen Gründen selbst Mobbing-Erfahrungen machen musste, kann sich an die Selbsthilfe-Kontaktstelle Köln wenden, um mit einer geeigneten Gruppe Kontakt aufzunehmen.
- Wir üben Solidarität miteinander, sind aber keine politische Gruppe!
Wir empfehlen Menschen, die sich politisch engagieren wollen, Kontakt mit Gewerkschaften und Berufsverbänden aufzunehmen, oder mit dem gemeinnützigen Verein Whistleblower-Netzwerk.
Der Verein
Unsere Gruppe wird ins Leben gerufen mit Unterstützung des Whistleblower-Netzwerk e.V. Dieser berät und betreut „Whistleblower“: Das sind Menschen mit Zivilcourage, die in ihrem beruflichen Umfeld imübertragenen Sinne ‚mit der Trillerpfeife Alarm schlagen’, wenn illegales Handeln, Missstände, Gefahren für Mensch und Umwelt nicht länger hingenommen werdenkönnen. Mehr Informationen und Möglichkeiten, aktiv zu werden, finden Sie im Internet unter: http://www.whistleblower-netzwerk.de.
Kontakt
Sie erreichen uns über:
- die Selbsthilfe-Kontaktstelle Köln
Tel.: 0221/951542-16
Email: selbsthilfe-koeln@paritaet-nrw.org
- Whistleblower-Netzwerk e.V.
Tel.: 0221/1692194 (GuidoStrack)
Email: sh-koeln@whistleblower-netz.de
Termin und Ort
Das nächste Treffen der Selbsthilfegruppe „Zivilcourage am Arbeitsplatz?“ findet am 15. Juni 2010 um 19:00 Uhr in Köln im Bürgerhaus Stollwerk (Raum 309) statt. Auch hier besteht für Betroffene noch die Möglichkeit des Einstiegs.