Ein Bericht von der Hauptversammlung der Deutschen Telekom AG
am 30.4.2009 in der Lanxess-Arena Köln
1. Rede des Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerk e.V., Guido Strack
Sehr geehrte Damen und Herren vom Aufsichtsrat!
Sehr geehrter Herr Obermann und sehr geehrte Mitglieder des Vorstands!
Liebe Aktionärinnen und Aktionäre!
Mein Name ist Guido Strack. Ich bin Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Whistleblower-Netzwerk aus Köln, der vor 2 1/2 Jahren gegründet wurde. Wir sind Mitglied im Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Whistleblower, dieser Begriff der zunächst nur einigen Compliance Spezialisten etwas sagte, findet immer mehr Eingang in die deutsche Sprache. Whistleblower sind Menschen die illegales Handeln, Missstände oder Gefahren für Mensch, Umwelt und das Gemeinwohl nicht länger schweigend hinnehmen, sondern aufdecken. Sie tun dies intern innerhalb ihres Betriebes oder auch extern gegenüber den zuständigen Behörden und notfalls auch den Medien.
Wenn wir heute viel über massive Verstöße beim Datenschutz und andere in höchstem Maße Image schädigende Skandale bei der Deutschen Telekom sprechen müssen, dann ist dies u.a. auf eklatante Managementfehler im Vorstand und auf ein Versagen der Aufsichtsgremien innerhalb des Konzerns in der Vergangenheit zurück zu führen. Wir schließen uns daher dem Gegenantrag an die Entlastung des Vorstandes zu verweigern.
Ich möchte hier aber auch betonen, dass wir selbst heute wahrscheinlich noch nichts von jenen Vorgängen wüssten, wenn es nicht jene – z.T. unbekannt gebliebenen – Hinweisgeber, also Whistleblower, gegeben hätte, die diese Skandale aufgedeckt und teilweise auch in die Medien gebracht haben. Ihnen verdanken wir dass wir heute über diese Vorgänge reden können!
In Unternehmen, erst recht wenn sie so groß sind wie die Deutsche Telekom, werden Informationen ähnlich wie in Behörden auf dem Dienstweg weitergeben. Aber wer hat schon Interesse daran freiwillig nach oben von eigenen Fehlern, Missständen oder gar Rechtsbrüchen im eigenen Zuständigkeitsbereich zu berichten. Da wird dann halt mal „was“ weggelassen oder zumindest geschönt und die Realität bleibt so auf der Strecke. Dies gilt im Verhältnis von Mitarbeiter zu Vorgesetztem genauso wie vom Vorgesetzten zum Vorstand, vom Vorstand zum Aufsichtrat und ganz am Ende der Kette stehen dann wir, die Aktionäre, die die Zeche bezahlen müssen und dafür bei Anlässen, wie dem heutigen, wenn es nach Vorstand und Aufsichtsrat geht, gerne auch viel Schönes und wenig Unangenehmes zu hören bekommen.
Wer erfahren will was für Zustände in seinem Unternehmen wirklich herrschen, der braucht alternative Informationskanäle und Frühwarnsysteme. Damit meine ich nicht illegale Abhör-, Überwachungs- oder Datenbeschaffungsmaßnahmen, sondern verantwortungsvolle Menschen, Mitarbeiter, die noch Anstand und Pflichtgefühl im Leib haben und ihr Wissen gerne einmal auspacken würden. Solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat auch die Deutsche Telekom zuhauf. Aber diese potentiellen Whistleblower müssen auch die Gewissheit haben könnten, dass ihren Hinweisen ordentlich und ohne Ansehen der Person nachgegangen und die Missstände abgestellt werden und dass sie nicht, wie dies wahrscheinlich auch bei der Telekom im Jahre 2009 noch viel zu oft der Fall sein dürfte, von ihren Chefs untergebuttert und kaltgestellt werden.
Ich hatte eben gesagt, wir „verdanken“ es Whistleblowern, wenn wir heute über Skandale bei der Telekom reden können. Es ist zwar alles andere als schön was da passiert ist, aber es ist gut, dass dank jener Whistleblower wir alle jetzt ein wenig mehr darüber wissen, was hinter der schönen Fassade wirklich passiert. Nur wenn wir Fehler erkennen, können und müssen wir handeln. Handeln in dem wir die Fehlerursachen erforschen, Maßnahmen ergreifen, dass derartiges für die Zukunft ausgeschlossen wird und – auch dies sollten wir nicht vergessen – die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen. Handeln auch in dem wir mehr Transparenz und jenen Gehör verschaffen die frühzeitig auf Missstände hinweisen und damit Schaden vom Unternehmen, seinen Mitarbeitern, Kunden und auch uns Aktionären abwenden.
Herr Obermann, im Juni 2008 war über Sie in der FAZ zu lesen, dass Sie als Reaktion auf die Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom mehr „Courage von der Belegschaft erwarten“ diese solle sich gegen ein mögliches Fehlverhalten von Vorgesetzten und Kollegen stellen, Hinweise weitergeben, kurz dort wo es nötig ist, zum Whistleblower werden.
Völlig richtig haben Sie schon damals betont, dass hierfür ein „Kulturwandel im Denken“ nötig ist und es „blinde Befehlsgläubigkeit“ nicht mehr geben darf. Herr Obermann, liebe Mitglieder des Vorstandes – von denen ich einmal annehme, dass Sie dies genauso sehen, und wenn nicht können Sie dies ja heute klarstellen – ich beglückwünsche Sie zu dieser Erkenntnis.
Zugleich möchte ich Sie Herr Obermann heute, fast ein Jahr später fragen:
Welche konkreten Schritte haben Sie seither unternommen um diesen Worten Taten folgen zu lassen?
Gibt es Fälle in denen Whistleblower vom Unternehmen für beispielhaftes Verhalten ausgezeichnet oder befördert wurden?
Werden Whistleblower oder auch nur deren Verhalten in internen oder externen Publikationen als positive Beispiele herausgestellt um andere Mitarbeiter auf diese Weise anzuregen es ihnen gleich zu tun?
Wird bei Neueinstellungen danach gefragt, wie sich potentielle Mitarbeiter in Situationen verhalten, bei denen es darauf ankommt dem eigenen Chef im Sinne von öffentlichen Interessen oder des langfristigen Unternehmensinteresses und damit auch des Aktionärsinteresses zu widersprechen?
Stellt die Telekom Whistleblower, die in anderen Unternehmen immer noch ausgegrenzt, gemobbt und gefeuert werden, jetzt bevorzugt ein? Wenn ja, so könnte ich ihnen sicherlich einige qualifizierte und motivierte Mitarbeiter empfehlen.
Setzt sich die Telekom öffentlich für Whistleblower und einen besseren gesetzlichen Whistleblowerschutz ein?
Wenn ich richtig informiert bin stellt die Telekom mit dem Bereichsvorstand Human Ressources Herrn Dietmar Welslau ein Mitglied im Vorstand der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BdA). Noch dazu hat Herr Welslau ausweislich seines Lebenslaufs an dem Aufbau der Bereiche Kommunikation und Beschwerdemanagements bei der Telekom wesentlich mitgearbeitet. Wie kann es dann sein, dass weder von ihm, noch von Ihrer Seite Herr Obermann und auch ansonsten von der Telekom kein lautstarker Protest zu hören war, als eben jene BdA sich ebenfalls im letzten Sommer an die Spitze einer Bewegung setzte, die Whistleblower als Denunzianten verunglimpfte und es so schaffte einen Gesetzesentwurf dreier Bundesministerien der zumindest einen Einstieg in einen gesetzlichen Whistleblowerschutz bedeutet hätte zu Fall zu bringen. Lieber Herr Obermann, stellen Sie sich so Ihr Engagement für den nötigen Kulturwandel im Denken vor?
Whistleblower-Netzwerk und der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre sind derzeit dabei die Whistleblower- bzw. Hinweisgebersysteme die in den letzten Jahren auch in deutschen Großunternehmen entstanden sind zu untersuchen und untereinander aber auch mit internationalen Standards zu vergleichen. Wir würden uns wünschen, dass sich auch die Deutsche Telekom an unserer entsprechenden Umfrage beteiligt.
Soweit wir uns bisher ein Bild machen konnten, ist die Whistleblowing-Policy der Deutschen Telekom – die übrigens durchaus, z.B. beim Aspekt Training oder bei der Abdeckung von möglichen Missständen und potentiellen Hinweisgeber auch positive Aspekte aufweist – derzeit noch zu stark rein intern ausgelegt und zu sehr vom Willen des Vorstandes und einiger weniger Mitarbeiter abhängig. Wie das Beispiel der Bahn zeigt, ist es mit Ombudsleuten die nur auf dem Papier unabhängig sind und in Wahrheit sogar gegen Whistleblower ermitteln allerdings auch nicht getan. Daher die konkrete Frage, werden sie ein unabhängiges Audit bzw. eine wirklich externe Kontrolle des Systems schaffen und dabei auch Vertreter der Zivilgesellschaft einbinden?
Werden Sie Maßnahmen ergreifen um eine bessere Vereinbarkeit ihres Hinweisgebersystems mit internationalen Standards wie insbesondere dem Code of practice „Whistlelbowing arrangements“ (PAS1998:2008) der British Standards Institution zu erreichen?
Werden Sie die bisherige sehr zurückhaltende Informationspolitik ändern und Informationen über die praktische Nutzung der bestehenden Whistleblowing-Instrumente intern und extern, sowohl in Form statistischer Daten als auch in Form von anonymisierten Fall- und Bearbeitungsberichten veröffentlichen, wie dies andere DAX-Unternehmen, z.B. Lufthansa und Siemens bereits tun?
Werden Sie Maßnahmen ergreifen um die Glaubwürdigkeit des Systems und damit auch seine Akzeptanz bei den Mitarbeitern und den Stakeholdern zu erhöhen?
Werden Sie allen Mitarbeitern die Erlaubnis zur selbständigen Einschaltung von Behörden und insbesondere der Staatsanwaltschaften erteilen? Oder dies zumindest für jene Fälle tun, in denen sich die Mitarbeiter zunächst erfolglos intern um die Abhilfe von Missständen bemüht haben?
Werden Sie Whistleblowern für den Streitfall Erleichterungen einräumen, z.B. wenn es um die Darlegung von Diskriminierungen und Mobbing oder um den Wunsch nach Versetzungen geht?
Abschließend würde ich mir wünschen, dass Sie Herr Obermann der Öffentlichkeit und der nächsten Hauptversammlung einen Bericht über eine verbesserte Praxis der Whistleblower-Policy der Deutschen Telekom und über ihrer Erfolge im Projekt „Kulturwandel im Denken“ vorlegen, um so auch den Aktionären einen besseren Einblick und mehr Zuversicht in den Ausbau des Frühwarnsystems Whistleblowing zu verschaffen.
Sind Sie hierzu bereit?
2. Fragen von Markus Dufner zum Thema Whistleblowing
Unmittelbar zuvor hatte Markus Dufner vom Dachverband kritischer Aktionärinnen und Aktionäre in seiner Rede noch folgende Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Whistleblowing:
Gibt es in unserem Unternehmen spezielle Regelungen für Whistleblowing bzw. zum Whistleblowerschutz? In wieweit genügt deren Ausgestaltung international anerkannter „Best Practice“ wie sie sich z.B. im Code of practice „Whistlelbowing arrangements“ (PAS 1998:2008) der British Standards Institution widerspiegelt?
Wie ist sichergestellt, dass Hinweisen von Whistleblowern auf Risiken, Missstände und Gesetzesverstöße aller Art in unserem Unternehmen auch dann umfassend und bis zur Abhilfe nachgegangen wird, wenn es dabei um den Schutz von langfristigen Aktionärsinteressen oder öffentlichen Interessen geht und hierbei ein Interessenskonflikt mit den kurzfristigen Interessen der aktuellen Unternehmensleitung besteht?
Erläutern Sie bitte die gegenwärtige Informationspolitik unseres Unternehmens bezüglich tatsächlich vorkommender Fälle von Whistleblowing.
Wir begreifen Whistleblowing als ein wichtiges Element der Risikovorsorge und Compliance. Ist in unserem Unternehmen die Informationspolitik intern und extern ausreichend, um bei potenziellen Whistleblowern und auch bei Aktionären, die diese Anschauung teilen, eine tragfähige Vertrauensbasis herzustellen?
3. Beantwortung der Fragen von Guido Strack durch das für Datenschutz und Compliance zuständige Vorstandsmitglied Dr. Manfred Balz (rekonstruiert nach eigenen Notizen):
Die Deutsche Telekom erfüllt alle Vorgaben für Whistleblower-Regelungen nach dem Sarbanes Oxley Act und weist hierauf auch öffentlich hin. Sonstige öffentliche Aussagen in dieser Frage sind weder erfolgt noch beabsichtigt.
Eine bevorzugte Einstellung von Whistleblowern erfolgt derzeit nicht. Andererseits stellt Whistleblowing aber auch kein Einstellungshindernis dar.
Bisher sind keine Fälle von Belobigungen wegen Whistleblowings bekannt, wir greifen den Hinweis aber gerne auf und werden die Möglichkeit zukünftiger Belobigungen von Whistleblowern prüfen.
Was die unabhängige Aufsicht und externe Kontrolle unserer Whistleblower-Policy durch die Zivilgesellschaft angeht, so weise ich darauf hin dass wir jährlich von Wirtschaftsprüfern geprüft werden und sich deren ohne Beanstandungen erfolgter Kontrollvermerk auch auf die Vorschriften nach dem Sarbanes Oxley Act bezieht.
Im Rahmen des Einstellungsverfahrens erfolgen bisher keine Fragen zum kritischen Verhalten gegenüber Vorgesetzten. Nach der Einstellung erhält jeder neuer Mitarbeiter aber den Code of Coduct der auch Hinweise auf unseren Whistleblowing-Prozess enthält. Wir fordern Mitarbeiter auch explizit dazu auf Zivilcourage zu zeigen.
Wir bekennen uns dazu das Klima der Wahrnehmung einer externen Bedrohung welches zur Bespitzelungsaffäre geführt hat überwinden zu wollen. Wir wollen einen Kulturwandel. Wir befolgen die bestehenden Gesetze, den Deutschen Corporate Governance Kodex und haben darüber hinaus auch unseren eigenen Code of Ethics.
Wir stellen sicher, dass Whistleblowern keinerlei Nachteile drohen und fördern so Zivilcourage.
Die hohe Qualität unseres Hinweisgeberportals und der hohe Standard wird uns auch durch die Wirtschaftsprüfer bestätigt.
Bereits im Jahre 2008 haben wir intern zahlreiche Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung von Whistleblowing betrieben und viele Schulungen durchgeführt. Im zweiten Halbjahr 2009 wollen wir hierzu eine neue Mitarbeiterkampagne durchführen.
Wir sind gerne bereit den bereits mit zwei Gesprächen begonnen Dialog mit dem Whistleblower-Netzwerk fortzuführen und Einblicke in unsere Whistleblower Maßnahmen zu gewähren.
4. Fazit:
Die Telekom erweckt den Eindruck es ernst zu meinen und Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit ziehen zu wollen. Whistleblower-Netzwerk e.V. ist gerne dazu bereit den bereits begonnenen fruchtbaren Dialog fortzusetzen und wird dabei auch weiterhin versuchen die Telekom zu mehr Transparenz und einer noch bewussteren Förderung von Whistleblowing und Whistleblowern zu bewegen.