In Berlin fand heute die Anhörung des BMWi zur Reform des Vergaberechts statt. Whistleblower-Netzwerk e.V. nutzte die Gelegenheit auf seinen Vorschlag zur Einbeziehung von Whistleblower-Klauseln ins Vergaberecht hinzuweisen und diesen zu erläutern, stieß dabei aber auf wenig Interesse.
Bevor es richtig losgehen konnte, musste zunächst ein Vertreter der taz durch den Sicherheitsdienst aus dem Hörsaal im BMWi entfernt werden. Schließlich sollte hier ja eine Anhörung der Verbände stattfinden und die Anwesenheit der Presse war offenbar nicht erwünscht. Aber als kleinen Ausgleich gibst ja dieses Blog.
Dann konnte es aber losgehen. In einer ersten Runde hatten die anwesenden Verbandsvertreter zunächst Gelegenheit ihre grundsätzliche Haltung zum Gesetzesentwurf darzustellen. Bevor dann in weiteren Runden detaillierter auf die Kernthemen Mittelstandsklausel, Einbeziehung vergabefremder Kriterien und Einschränkungen im Rechtsschutz eingegangen wurde.
Obwohl formal jeder der Anwesenden Gelegenheit bekam, sich zu äußern, machte der Versammlungsleiter, Unterabteilungsleiter für Wettbewerb, Dr. Marx durch seinen Habitus und vielfältige Äußerungen deutlich, dass das Ministerium doch bereits sehr von der Qualität seines Gesetzesentwurfs überzeugt ist. Dies obwohl z.B. die Formulierungen des § 97 Absatz 3 des Entwurfs zur Mittelstandsklausel offensichtlich unklar und widersprüchlich sind, da dort zunächst die vornehmliche Berücksichtigung mittelständischer Interessen gefordert, diese dann aber unter einen Vorbehalt hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und technischen Machbarkeit, gestellt wird. Auch immer wieder vorgetragene europarechtliche Bedenken gegen bestimmte Entwurfsformulierungen wurden unter Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers locker vom Tisch gefegt, ganz so, als ob es in der Vergangenheit keine EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen den deutschen Gesetzgeber gegeben hätte.
Den Schwerpunkt der Anhörung bildete die Diskussion um die Frage der Einbeziehung von sozialen und ökologischen Kriterien in die Vergabeentscheidung. Der Entwurf sieht derzeit hierzu eine Kann-Bestimmung vor, die aber durch die zusätzliche Anforderung eines sachlichen Zusammenhangs mit dem Auftragsgegenstand noch eingeschränkt wird. Hiergegen wendeten sich insbesondere die Gewerkschaftsvertreter, die anwesenden Öko- und Menschenrechts-NGOs, aber auch die Vertreter von Frauenrechtsorganisationen und der Deutsche Juristinnenbund. Sie alle forderten die verbindliche Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien in Form einer Muss-Regelung und die Streichung der Zusammenhangsanforderung und verwiesen auf die entsprechenden vorhandenen Spielräume des EU-Rechts und die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Förderung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes (Umweltschutz und Sozialstaatsprinzip) auch bei staatlichen Beschaffungsaktivitäten.
Demgegenüber sprachen sich BDI, BdA und andere Industrievertreter gegen jegliche Einbeziehung vergabefremder Kriterien aus. Dies sei mittelstandfeindlich, erhöhe den bürokratischen Aufwand und führe zu unwirtschaftlichen Vergabeentscheidungen. Schließlich würde mit zusätzlichen, schwer kontrollierbaren, Kriterien die Manipulationsgefahr und Korruptionsanfälligkeit der Vergabeentscheidungen erhöht.
Hier und an anderer Stelle erfolgte seitens des Vertreters des Whistleblower-Netzwerks dann der Verweis auf die eigenen Vorschläge, die ja gerade dazu dienen mit Whistleblowerinformationen ein taugliches Mittel für die verbesserte Kontrolle aller Vergabekriterien ohne zusätzlichen Bürokratieaufwand zur Verfügung zu stellen. Die meisten Anwesenden schienen sich dieser Möglichkeit aber weder bewusst zu sein, noch sich ernsthaft damit befassen zu wollen. Als schließlich eingefordert wurde im Rechtsschutzverfahren – welches durch den BMWi-Vorschlag unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus eingeschränkt werden soll – ein sanktionsfreies Whistleblowing zu den Vergabekammern für die Mitarbeiter aller Verfahrensbeteiligten zu ermöglich, sah sich Dr. Marx sogar veranlasst zu bemerken, dass es hier doch gar nicht um jene Art von Rechtsverstößen ginge. Andererseits hatte er aber zuvor in der Gesetzesbegründung selbst eine Fallkonstellation erwähnt, in welcher die Vergabekammer durch eine Pressemitteilung auf unrechtmäßige Nachverhandlungen im Rahmen der Vergabeentscheidung hingewiesen wurde. Auch jenem Fall dürfte aber letztlich eine Insiderinformation zu Grunde gelegen haben. Warum also sollte den Insidern nicht, statt dem gefahrvollen Weg über die Presse, die sanktionsfreie Möglichkeit gewährt werden sich mit diesen und ähnlichen Hinweisen direkt an die Vergabekammern zu wenden?
Hier bedarf es wohl noch erheblicher Aufklärungsarbeit wie sinnvoll und notwendig effektiver Whistleblowerschutz sein könnte. Selbst Transparency International hatte diesen Aspekt in seiner Stellungnahme nicht aufgenommen, sondern beschränkte sich auf, als solche durchaus unterstützenswerte, Forderungen wie: Veröffentlichungspflichten für alle Beschaffungsvorgänge, Sanktionierung von Intransparenz, besseren Rechtsschutz und insbesondere die Errichtung eines Korruptionsregisters. All dies wischte Dr. Marx aber schnell vom Tisch indem er darauf verwies, dass die Reform nur die großen Vergabevorhaben betreffe und die Koalitionsvereinbarung gerade kein Korruptionsregister vorsehe.
Es dürfte spannend sein zu beobachten, wie sich die Dinge weiterentwickeln werden. Ob und welchen endgültigen Vorschlag die Bundesregierung in den parlamentarischen Prozess einbringen wird und ob es vielleicht über die Parteien und die Bundestagsfraktionen letztlich doch noch gelingt Insiderklauseln bzw. Whistleblowerschutz in eine Neuordnung des Vergaberechts einzubeziehen. Whistleblower-Netzwerk e.V. wird sich jedenfalls weiterhin dafür einsetzen.