Mit seinem Urteil vom 08.11.2007 hat das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Gemeinschaften beim EuGH die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 13.10.2004 bestätigt, mit welcher jene Marta Andreasen aus dem Beamtenverhältnis entfernt hatte.
Marta Andreasen war im Jahre 2002 als oberste Rechnungsprüferin der EU-Kommission zuständig für die Kontrolle der ordnungsgemäße Abwicklungen der Finanztransaktionen der EU in Höhe von mehreren Mrd. EURO. Hierbei stellte sie gefährliche Lücken in der computerisierten Abwicklung fest und forderte von ihren Vorgesetzten dringende Verbesserungen. Als dies nicht geschah, wandte sich Marta Andreasen, ohne Zustimmung ihrer Vorgesetzten, an den Europäischen Rechnungshof und an das EU-Parlament, die für die Kommission zuständigen externen Aufsichtsgremien, und schließlich auch an die Öffentlichkeit. Sie begründete dies u.a. wie folgt:
„All these measures I have requested with the objective of improving the control over the funds entrusted to the European Commission, and to eliminate or reduce to the minimum possible error and fraud risk. But the reaction of Ms. Schreyer has been totally contrary to my proposals for clarification. She does not respect my proposal for a sound accounting reform and is promoting a new financial regulation that will increase the error and/or fraud risk in prejudice of European taxpayers. To achieve this, she has proposed to remove the Accounting Officer responsibility from me, to which I have expressed my absolute disagreement. “
Dieses Whistleblowing wurde ihr dann zum Verhängnis und führte zu ihrem Rausschmiss, der nunmehr auch gerichtlich bestätigt wurde.
Das Urteil stützt sich dabei weitgehend auf Formalien und lädt Marta Andreasen grundsätzlich die Beweislast dafür auf, dass die Kommission sich rechtswidrig verhalten hat (anders als im deutschen Recht wo auf Grund der ungleichen Voraussetzung von Verwaltung und Bürger der Amtsermittlungsgrundsatz gilt). Dieser Beweislast hat sie aber nach Ansicht des Gerichts nicht genügt. So sei es z.B. unbeachtlich, dass die Mitglieder der Disziplinarkommission die über ihren Rausschmiss entschieden haben höchste EU-Kommissionsbeamte gewesen wären, die ihrerseits zuvor der finanziellen Aufsicht und Kritik von Marta Andreasen ausgesetzt gewesen wäre. Dies allein könne ohne weitere Nachweise nicht deren Unabhängigkeit in Frage stellen. Die Frage der Richtigkeit oder Falschheit der Vorwürfe von Marta Andreasen – die später weitgehend auch von der Kommission als richtig eingestuft wurden – spielte dabei für das Gericht keine Rolle. Auch sei es für die Frage der Angemessenheit der Sanktion (Rausschmiss) unerheblich, dass in anderen Fällen für schwerere Disziplinarvergehen wesentlich geringere Sanktionen ausgesprochen worden seien. Insgesamt fällt auch auf, dass das Gericht sich kaum die Mühe macht eigene Begründungen zu liefern, sondern sich weitgehend darauf beschränkt den Vortrag der Kommission zu bestätigen.
Insgesamt wird mit diesem Urteil die für Whistleblower höchst nachteilige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fortgesetzt. Dort ist man wohl nach wie vor der Ansicht Europa dadurch am meisten zu dienen, dass man der Europäischen Kommission einen möglichst weitgehenden Handlungsspielraum belässt.
Spannend wird sein, ob die Medien dieses Urteil aufgreifen und kritisch hinterfragen werden. Aber auch in dieser Hinsicht ist wohl nicht viel zu erwarten: Zum einen weil das Urteil – trotzt der klar gegenteiligen Vorgaben im europäischen Recht – nur auf Französisch existiert, zum zweiten, weil es sehr detailorientiert ist und die eigentlich wichtigen grundsätzlichen Fragen gar nicht behandelt, zum dritten, weil EU-Beamte zumindest in der deutschen Öffentlichkeit ohnehin als überbezahlte Bürokraten abgestempelt sind deren Schicksal keinen sonderlich berühren dürfte und schließlich weil der größte Teil des europäischen Pressekorps sich seit langem der Hofberichterstattung für die EU-Kommission verschrieben hat, da man ja auch in Zukunft mit offiziellen Informationen, Arbeitsmaterialien und Reisen versorgt und nicht als „europafeindlich“ abgestempelt werden will.