Nachfolgend dokumentieren wir die Rede, die Annegret Falter als Vertreterin des Whistleblower-Netzwerk am 30.08.2014 auf der Demo „Freiheit statt Angst“ gehalten hat. Die Kernfrage der Rede wurde mittlerweile auch von einigen Medien aufgegriffen.
Ich habe eine Frage: Wo bleiben die deutschen Whistleblower?
Wir starren seit einem Jahr auf die NSA und GCHQ.
Gibt es nichts, was die deutschen Geheimdienste zu verbergen hätten? Keinen Verstoß gegen Art. 10 des GG, der das Post- und Fernmeldegeheimnis, die freie Kommunikation in diesem Land schützt? Gegen das G10-Gesetz? Gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention?
Oder doch? Dann ist es vielleicht nur noch eine Frage der Zeit, bist auch hierzulande ein Whistleblower auspackt. Möglichkeiten gibt es ja genug. Wikileaks veröffentlicht nach wie vor Dokumente im Original und unzensiert, soweit keine Menschenleben gefährdet sind oder die Persönlichkeitsrechte von Privatpersonen. Viele Zeitungen haben anonyme Briefkästen. Der Schutz journalistischer Quellen funktioniert in Deutschland immer noch vergleichsweise gut. Und last but not least bietet unser Whistleblower-Netzwerk geschützte Kontaktmöglichkeiten.
Warum also hat noch kein deutscher Whistleblower den BND verpfiffen?
Aber bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Geheimdiensten, versteht meine Frage keinesfalls als Aufforderung zum Whistleblowing! Das wäre strafbar! Da hätte ich – ANGST.Eine der Forderungen von Whistleblower-Netzwerk ist: Gesetzes-Verstöße dürfen nicht dem Geheimschutz unterliegen. Auch dann nicht, wenn es sich bei Rechtsbrüchen möglicherweise um Staatsgeheimnisse handelt. Es darf keine illegalen Staatsgeheimnisse geben – ganz gleich, um was es geht. Diese Ansicht wird von vielen Juristen vertreten bis hin zu höchsten Richtern. Entsprechende Gesetzesänderungen sind überfällig! Dann wäre ein Mitarbeiter geschützt, der zu illegalen Machenschaften seiner/ihrer Behörde nicht länger schweigen will.
Was kann so ein Mitarbeiter aber hier und heute tun, ohne das Risiko einzugehen, arbeitsrechtlich, disziplinarrechtlich oder gar strafrechtlich belangt zu werden?
• Er kann sich bei seinem Vorgesetzten beschweren!
• Er kann sich an das PKGr wenden – – – aber er muss trotzdem zeitgleich seinen Vorgesetzten darüber informieren!
Das ist für einen Angestellten, der doch vom Wohlwollen seines Vorgesetzten abhängig ist, eine riesengroße Hürde. Der Chef vom Verfassungsschutz, Herr Maaßen, hat neulich stolz erklärt, kein Mitarbeiter seiner Behörde habe sich bisher an das PKGr gewandt: Das sei der Beleg dafür, dass alles bestens liefe beim Verfassungsschutz.
• Und wenn sich nun trotz dieser Hürden ein Mitarbeiter der Geheimdienste an einen Parlamentarier vom Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) wenden würde – was könnte der Parlamentarier tun?
Jedenfalls nichts, was wir, – die Betroffenen, die Überwachten und Ausspionierten, die auf Vorrat Gespeicherten – wir, der Souverän – nichts, was wir je erfahren würden. Denn die Parlamentarier haben ihrerseits Stillschweigen zu bewahren. Sonst machen sie sich selber strafbar. Davor haben sie vielleicht auch – ANGST.Unsere Forderung an die regierende Politik lautet also weiter:
• Abschaffung der gesetzlichen Regelung, dass Mitarbeiter der Geheimdienste ihre Vorgesetzten beteiligen müssen, wenn sie das PKGr über Missstände informieren.
• Abschaffung der absoluten Verschwiegenheitspflicht für die Parlamentarier des PKGr. Sie müssen zur öffentlichen Stellungnahme und Kritik an der Regierung berechtigt sein, auch als Minderheiten im Ausschuss.Das wäre e i n richtiger Schritt in Richtung Transparenz und Kontrolle als Normalität. Damit verantwortungsbewusste, bei den Diensten angestellte Bürger und Bürgerinnen keinen Opfermut brauchen, um Unrecht anzuzeigen. Das wäre ein Stückweit FREIHEIT statt Angst.
Diese Forderungen sind nicht neu. Sie haben aber bisher kein Gehör bei den jeweils Regierenden gefunden. Whistleblower im Kontext unserer Geheimdienste sind in der Regel nicht geschützt.Trotzdem – oder gerade deswegen –hoffen wir auf einen deutschen Snowden! Selbst in den USA ist schon mindestens ein weiter Whistleblower aus dem Geheimdienstbereich Snowdens Beispiel gefolgt. Trotz der abschreckenden und rechtlich fragwürdigen Repressionen dort gegen Whistleblower und der fortdauernden Menschenjagd auf ihn selber. Der oder die Neue wurde bisher nicht enttarnt.
Snowdens unerhörter Mut ist ansteckend! Die Zivilgesellschaft steht hier um zu demonstrieren: Edward Snowden, Du bist nicht allein!