In Sachen der Whistleblowerin Andrea Fuchs ./. DZ-Bank gab es hinsichtlich der 19. Kündigung am 29.04.2013 den zweiten Verhandlungstermin in der Berufungsinstanz vor dem LAG Frankfurt. Wie schon beim ersten Verhandlungstermin am 19.11.2012 waren auch diesmal Vertreter des Whistleblower-Netzwerks vor Ort. Nachfolgend also Teil II einer persönlichen Nachlese.
Kurzer Prozess mit Andrea Fuchs
Während der Richter beim letzten Verhandlungstermin noch einige Einblicke in seine Rechtsauffassungen gewährte – und dabei deutliche Defizite seiner Unabhängigkeit zu Tage traten – bleib er diesmal kurz und sachlich.
Beide Parteien wiederholten kurz ihre Rechtsauffassungen. Hier die DZ-Bank als Berufungsklägerin, die die Beweiswürdigung der ersten Instanz angriff, die streitgegenständliche Betriebsratsanhörung als rechtmäßig ansah, obwohl der Betriebsrat nicht wusste, dass Frau Fuchs zu jenem Zeitpunkt bereits rechtskräftig gekündigt war und die im Übrigen das Buch der Frau Fuchs als Anhäufung von Beleidigungen und Verleumdungen darstellte, was die Bank in jedem Falle zur Kündigung berechtige. Außerdem sei das Arbeitsverhältnis zerrüttet und der Bank eine Fortsetzung auch wegen späterer Aktivitäten, z.B. eines Interviews mit diesem Blog unzumutbar.
Dort Herr Rechtsanwalt Hünlein, der Anwalt von Frau Fuchs, der auf die Beweislast der Bank und die erheblichen Erinnerungslücken der Zeugen in erster Instanz hinwies und betonte, dass es ja letztlich die DZ-Bank war, die die erste Kündigung der Frau Fuchs unbedingt schon vor Abschluss des Verwaltungsgerichtsverfahrens in Rechtskraft erwachsen lassen wollte und sich daher nunmehr entgegenhalten lassen müsse, dass die vorliegende Kündigung unzulässig gegenüber einer rechtskräftig gekündigten Ex-Arbeitnehmerin ausgesprochen worden war. Hünlein verwies außerdem darauf, dass die Verantwortlichen der Bank durch Frau Fuchs vorab über die geplante Buchveröffentlichung informiert worden waren, aber weder damals noch vor oder parallel zur Kündigung gegen irgendwelche Inhalte des Buches vorgegangen seien. Auch müsse das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und die Rechtsprechung des EGMR zum Whistleblowing beachtet werden, weshalb die Kündigung rechtswidrig sei.
Nach weniger als einer halben Stunde Verhandlung zog sich das Gericht dann zur Beratung zurück und verkündete 90 Minuten später sein Urteil: Die Kündigungsschutzklage der Frau Fuchs wurde unter Aufhebung des gegenteiligen Urteils des ArbG Frankfurt aufgehoben. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dass wars!
Jedenfalls insoweit und erstmal, denn jetzt muss Andrea Fuchs warten bis sie die Urteilsbegründung in Händen hält und das kann bis zu sechs Monaten dauern. So wie es aussieht wird sie dann wohl eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht machen, um dort eine Revision des Urteils zu erreichen. Eigentlich sollten die Chancen für eine Revision gut stehen, denn dass ein Gericht wie hier ohne die bestehende Möglichkeit einer eigenen Beweisaufnahme zu nutzen aufgrund des Protokolls der Beweisaufnahme der Vorinstanz dessen Ergebnis mal eben auf den Kopf stellt, ist eher selten. Auch in den Rechtsfragen Kettenkündigung und Whistleblowing dürfte es dem Richter am LAG Frankfurt in den nächsten Wochen schwer fallen eine Begründung zu formulieren, die eine Revision übersteht. Andererseits sind aber nur ca. 10 % aller Nichtzulassungsbeschwerden erfolgreich und ohne Zulassung der Revision bliebe Frau Fuchs dann nur der noch längere und mühsamere Weg nach Karlsruhe und evtl. auch noch nach Straßburg. Und dies alles mit bereits 16 Jahren gerichtlicher Auseinandersetzung auf dem Buckel. Wer soll dies noch durchhalten? Ist es System?