Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man den Beschluss 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 6. Juni 2007 (Az: 4 AZN 487/06) mit dem Whistleblower-Urteil des zweiten Senats vom 7.12.2006 (2 AZR 400/05) vergleicht.
Im neueren Beschluss wird die Beschwerde der Klägerin, Brigitte Heinisch, gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin, mit einer sehr formalistischen Argumentation zurückgewiesen. Im Urteil aus dem Jahre 2006 hatte das BAG 2006 noch ausgeführt: dass eine Strafanzeige durch einen Whistleblower allenfalls dann zu einer Kündigung führen darf, wenn „der Arbeitnehmer schon bei Erstattung der Anzeige weiß, dass der erhobene Vorwurf nicht zutrifft oder dies jedenfalls leicht erkennen kann oder einen unverhältnismäßigen Gebrauch von seinem Recht macht.“
Im jetzigen Verfahren hatte das Arbeitsgericht eine solche Unverhältnismäßigkeit hier noch verneint und die Kündigung aufgehoben. Im Berufungsverfahren hatte das LAG dann aber genau andersherum entschieden und dies obwohl: – der Arbeitgeber zuvor mehrfach innerbetrieblich auf Personalmangel hingewiesen worden war; – die Anzeigende den Arbeitgeber vorher auf mögliche Patientengefährdungen hingewiesen hatte und – der Arbeitgeber hierauf durch die Zurückweisung der Vorwürfe reagiert hatte. Dies alles erweckt den Eindruck, dass das LAG hier Maßstäbe angelegt hat, die über eine bloße Unverhältnismäßigkeitsprüfung, ja sogar über ein innerbetriebliches Vorklärungserfordernis hinausgehen und praktisch darauf hinauslaufen, Strafanzeigen generell als Kündigungsgrund ausreichen zu lassen, außer der Whistleblower kann so eindeutige Beweise vorlegen, dass der Täter, möglichst noch vor Abschluss des Kündigungsverfahrens rechtskräftig strafrechtlich verurteilt werden kann. Dies stellt die Rechtsprechung von BAG und BVerfG auf den Kopf.
Aber was tut das BAG? Es vermag keine Divergenz zu jener höchstrichterlichen Rechtsprechung festzustellen. Mit seinem Beschluss erteilt der 4.Senat des BAG somit gleichsam einen Freibrief zur Missachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht, auf die von der Klägerin jetzt angekündigte Verfassungsbeschwerde hin, diese Fehlentwicklung korrigieren wird.